Nächster Halt: Fernsehturm. Die grüne Citytour führt ab April über den Westen und Heslach zur Waldau. Foto: Steegmüller Quelle: Unbekannt

Von Sebastian Steegmüller

Stuttgart - Thorsten Konrad ist Feuerwehrmann. Zu seinen täglichen Aufgaben gehört es, Leben zu retten. Was er am zweiten Weihnachtsfeiertag geleistet hat, geht jedoch weit über seinen Berufsalltag hinaus. Um einen Mann aus einem brennenden Auto zu befreien, setzte der 30-Jährige sein eigenes Leben aufs Spiel - in seiner Freizeit und ohne jegliche Schutzausrüstung.

Es ist kurz vor 7 Uhr. Nach einer Zwölf-Stunden-Schicht mit insgesamt zehn Einsätzen macht sich Feuerwehrmann Thorsten Konrad von der Wache 5 in Degerloch auf den knapp 100 Kilometer langen Heimweg in Richtung Bruchsal. Die Straßen sind wie leer gefegt, der 30-Jährige rechnet mit einer stressfreien Fahrt. Er ist müde, glücklicherweise aber nicht übermüdet, als er auf der B 27 die Ausfahrt zum Fasanenhof passiert. Trotz der Dunkelheit sieht er aus dem Augenwinkel ein Fahrzeug, das sich offenbar kurz zuvor überschlagen hat. „Ich bin sofort rechts ran gefahren und habe auf dem Standstreifen vorsichtig zurückgesetzt.“ Normalweise rate er von solch einem Manöver auf Bundesstraßen oder gar Autobahnen ab. „Aber zum einen hatte ich wirklich gute Sicht nach hinten, zum anderen war zu dieser Uhrzeit absolut nichts los.“

Flammen aus dem Motorraum

Der Badener ist nicht der erste Autofahrer, der in den frühen Morgenstunden auf das Wrack aufmerksam geworden ist. Eine junge Frau steht bereits neben dem auf der Beifahrerseite liegenden Ford, als er die Unfallstelle erreicht. Sie ruft ihm zu, dass noch ein Mann im Gurt hängt. Geistesgegenwärtig greift der Feuerwehrmann zu seiner Ersthelfer-Tasche, außerdem ruft er sofort die 112. Weil die Ausfahrt nicht beleuchtet ist, kann er kaum etwas erkennen. Im Licht der Scheinwerfer sieht er jedoch, dass Dampf aus der Front des Autos aufsteigt. Zudem ist auf dem Asphalt eine schimmernde Flüssigkeit zu erkennen. „Als ich auf den Wagen zugelaufen bin, habe ich einen Schlag gehört, wenig später hat es schon aus dem Motorraum leicht gebrannt.“

Zunächst versucht Konrad, gemeinsam mit der Ersthelferin den 29-Jährigen irgendwie über die Fahrerseite aus dem Wagen nach oben herauszubekommen. Der Mann ist ansprechbar, jedoch so schwer verletzt, dass er sich weder selbst befreien noch unterstützend eingreifen kann; die junge Helferin ist zudem zierlich. Kurzum, es fehlt ihnen die Kraft, um den Gurt zu lösen und den Autofahrer anschließend herauszuziehen.

Konrad, der seit acht Jahren bei der Berufsfeuerwehr in Degerloch tätig ist, entschließt sich, den Gurt mit einer Verbandsschere durchzutrennen. Kein leichtes Unterfangen: Viele Schnitte sind notwendig, um das Nylongewebe durchzubekommen. Doch damit ist dem Insassen noch nicht wirklich geholfen: Er sackt ab und rutscht tiefer ins Fahrzeuginnere. Gleichzeitig breitet sich das Feuer aus. „Aber nur langsam, es steht glücklicherweise nicht sofort im Vollbrand.“ Dennoch ist dem Experten klar, dass er jetzt schnell handeln muss. Ein erneuter Versuch, den Verletzten nach oben rauszuziehen, scheitert. Kurzerhand entschließt sich der 30-Jährige, durch das zertrümmerte Heckfenster in das Auto zu klettern. „Der Kofferraumdeckel ließ sich leider nicht öffnen.“ Mittlerweile hat das Feuer auch den Innenraum erreicht. „Die Flammen sind uns bereits entgegengeschlagen. Durch die Hitze und die tropfenden Teile haben seine Füße und Beine langsam angefangen zu brennen“, berichtet Konrad. „Der Mann schrie vor Schmerzen, war in Panik.“ Ohne die Hilfe der Beiden wäre er wohl bei lebendigem Leib verbrannt. „Ich habe ihn mir am Gürtel geschnappt und die Ersthelferin von außerhalb die ausgestreckten Arme des Mannes, so haben wir ihn Stück für Stück aus dem Wagen gezogen. Wir haben wirklich gut zusammengearbeitet.“ Als das Opfer auf der Straße liegt, zieht Konrad seine Jacke aus, löscht das Feuer an den Beinen. Dass hinter ihm das Auto wenig später komplett brennt, nimmt er zunächst nicht wahr.

Keine Angst vor Explosion

Mittlerweile sind die alarmierten Kollegen eingetroffen, übernehmen für ihn. Gegen 7.20 Uhr ist für Konrad schon alles vorbei. Er sitzt wieder in seinem Auto, setzt die Heimfahrt in Richtung Bruchsal fort. Erst langsam dämmert es ihm, dass er sich selbst in Lebensgefahr gebracht hat. „Auch wenn ein Auto nicht explodiert, wie man es aus Filmen kennt, bin ich froh, dass ich ohne Verletzungen davon gekommen bin.“ Er habe in dem Moment nicht darüber nachgedacht, sei aber schon ein gewisses Risiko eingegangen. Dennoch steht für den 30-Jährigen fest: „Ich würde jederzeit wieder so handeln.“ Zugleich hofft er, dass andere Autofahrer ebenfalls Zivilcourage zeigen und an einem Unfall nicht einfach vorbeifahren. „Schließlich kann es jeden treffen.“ Mit dem Opfer, das nach Polizeiangaben nicht mehr in Lebensgefahr schwebt, habe er seit dem Unfall noch keinen Kontakt gehabt. „Ich hoffe, es geht dem Mann soweit gut. Ich würde mich freuen, von ihm zu hören, wenn er wieder gesund ist.“