Christian Hermes geht beim Thema Wohnungsmarkt in die Offensive. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski - Lichtgut/Leif Piechowski

Der katholische Stadtdekan Christian Hermes ist bekannt für seine klaren Worte. Er stellt für Stuttgart – und auch für die Kirche – eine neue Immobilienstrategie vor

StuttgartDer katholische Stadtdekan Christian Hermes ist bekannt für seine klaren Worte. Zuletzt kritisierte er die Stadtverwaltung als „zu schwerfällig“. Zudem meinte er im Interview mit unserer Zeitung auf die Frage, ob Stuttgart einen Aufbruch in der Wohnungspolitik brauche: „Eindeutig! Mein Kernsatz ist: Stuttgart darf eine reiche Stadt, aber nicht nur eine Stadt für Reiche sein. Was die Stadt bisher macht, ist mir eindeutig zu wenig. Die Stadt sollte mehr Grundstücke zur Verfügung stellen.“

Wer derart in die Offensive geht, muss sich an seinen Taten messen lassen. Er muss Flagge zeigen. Zumal die katholische Kirche in Stuttgart mehr als 400 Wohneinheiten und viele Grundstücke besitzt. Doch den Umgang damit sowie mit einer neuen Immobilienstrategie will Christian Hermes nicht im Alleingang bestimmen. Daher schärfte er den Mitgliedern des Dekanatsrates vor einer Diskussion über den neuen Immobilien-Kurs die Sinne und den Verstand: „Das Ende dieser Diskussion kann nicht nur lauten: Ja, wir sind dafür, mehr Sozialwohnungen zu bauen.“ Die Sache müsse mit Bedacht formuliert sein, denn sie koste auch Geld. Zudem seien die Möglichkeiten der Kirche begrenzt. Daher bringe eine moralische Diskussion nichts. Ehrlichkeit sei gefragt: „Wir müssen uns fragen, was können wir tun? Und was sind wir bereit zu tun? Wo opfern wir etwas?“, sagte der Stadtdekan Christian Hermes im Haus der Katholischen Kirche. Aber eines sei dem Stadtdekan nach seinen vielen Gesprächen mit Architekten und Immobilienentwicklern schon jetzt klar geworden: „Wir wollen bei diesem Thema nicht hinterherlaufen, sondern aktiv sein und uns einmischen. Auch bei der Stadt.“

In seiner Darstellung zeichnete Hermes die Not auf dem Stuttgarter Wohnungsmarkt in einem drastischen Bild: „Frei werdende Wohnungen werden in Millisekunden im Freundeskreis wieder vergeben.“ Auch die Situation, dass Flüchtlinge Wohnraum beanspruchten, könne für „sozialen Sprengstoff“ sorgen: „Wir müssen schauen, dass es zu keiner Spaltung kommt, wenn beispielsweise eine Familie mit einem Wohnschein nicht zum Zug kommt.“ Für den Stadtdekan ist daher klar: „Wir brauchen dringend ein Konzept, in dem bezahlbarer Wohnraum umgesetzt wird.“

Der aktuelle Wohnungsbestand der katholischen Kirche in Stuttgart stammt größtenteils aus den 1970er- und 80er- Jahren. 39 Prozent davon entfallen auf gefördertes Wohnen. Drei Viertel der kirchlichen Wohnungen werden zu einem Mietpreis unter der Durchschnittsmiete vermietet. Bei den rund 20 Standortentwicklungen, die derzeit parallel laufen und unterschiedlich weit in der Umsetzung sind, werden viele Neubauten mit einer sozialen Nutzung verknüpft. Bei mehr als zehn Standorten werden verschiedenste Wohnformen realisiert, ein Schwerpunkt liegt auf der Schaffung von Wohnraum für Menschen mit Behinderungen, Senioren, Migranten und Geringverdienern. Mittelfristig könnten so etwa 500 neue Wohnungen entstehen.

Wie die Dinge liegen, will sich eine Mehrheit des Dekanatsrates ihrem Oberhirten bei seiner Immobilienstrategie anschließen. Nach einer Diskussion im Rat ergab sich ein positives Meinungsbild dazu. Tenor: Die Kirche müsse ihrer sozialen Verantwortung gerecht werden und dürfe ihre Rücklagen nicht nur zur Bank tragen. Das Ziel lautet, ein Wohnungsangebot für sozial Benachteiligte, aber auch für kirchliche Mitarbeiter zu schaffen. Auf dem Weg dahin soll nun die kirchliche Verwaltung Vorschläge für Finanzierungsmodelle für die Gesamtkirchengemeinden sowie für mögliche Wohnformen erarbeiten.