Von 1962 bis 1979 befand sich der Sitz von Reader’s Digest am Rotebühlplatz Quelle: Unbekannt

Vor 70 Jahren erschien die erste Ausgabe von „Das Beste aus Reader’s Digest“. Dass der US-Verlag seine Deutschland-Dependance in Stuttgart eröffnete, ist Arnulf Klett zu verdanken.

StuttgartSollen Bauchoperierte aufstehen? Was ist ein Mann? Mit Fragen wie diesen, die medizinisch, dramatisch oder amüsant sein durften, hat sich ein 136-seitiges Magazin in seiner ersten Ausgabe befasst. Unter dem Titel „Das Beste aus Reader’s Digest“ (englisch für „Kurzfassung“ oder „Auszug“) ist es im September 1948 nach US-Vorbild gestartet. Gleich auf dem Titelbild stand, um was es den amerikanischen Machern ging, die ihren deutschen Standort in Stuttgart gefunden hatten: „Artikel und Buchauszüge von bleibendem Wert“.

Mit lehrreichen und unterhaltsamen Texten wollte sich die „meistgelesene Monatsschrift der Welt“ an eine Leserschaft wenden, die wenig Zeit hat. Drei Jahre nach Kriegsende kam die neue Zeitschrift zum Preis von einer Mark auf den Markt. Den Anspruch, Bleibendes zu veröffentlichen, hat die „Das Beste“-Redaktion nicht aufgegeben. Im September feiert sie 70-jähriges Bestehen, nicht mehr den US-Gründern unterstellt, die 1922 die erste Ausgabe veröffentlicht hatten.

Klett sei Dank

Der in Stuttgart ansässige Verlag ist seit Mai 2017 eine Tochtergesellschaft des spanischen Direktmarketing-Unternehmens CIL, das zuvor die „Reader’s Digest“-Töchter in Spanien, Portugal, Frankreich, den Niederlanden, in Belgien, Schweden und Finnland übernommen hatte. Dass der Grundstein für die Gesellschaft 1948 bei den Schwaben gelegt wurde, ist nicht zuletzt der Beharrlichkeit des damaligen Oberbürgermeister Arnulf Klett zu verdanken. „Das Beste ist für Stuttgart gerade gut genug“, soll er gesagt und heftig um den „Reader’s Digest“-Generaldirektor Paul W. Thompson geworben haben, der durch das von den Alliierten dirigierte Germany reiste, um eine Lizenz und eine Bleibe für die Idee zu erhalten, das Erfolgsmodell mit übersetzter Ausgabe auf Deutschland zu übertragen. Klett half mit, Verlagsräume in der Stadt zu finden, die von Kriegszerstörungen gekennzeichnet war.

Stuttgart, damals Hauptstadt des Übergangsstaates Württemberg-Baden, gab sich unter Kletts Führung als besonders aufbaufreudig und verfolgte das Ziel, als Verlagsstadt an die Stelle Leipzigs zu treten. Ein halbes Dutzend Mitarbeiter bezog ein Haus an der Paulinenstraße, bereitete in Windeseile zwei Probeausgaben vor. Damit das Magazin im September 1948 erscheinen konnte, mussten einige Hürden genommen werden. Fast alles für den Druck erforderliche Material – selbst Packpapier und Bindfaden – konnte man nicht in Deutschland auftreiben und musste in den USA besorgt werden.

Fragen, die bleiben

Vor allem in den 1970ern und 1980ern – der Verlag residierte von 1962 bis 1979 am Rotebühlplatz, bevor es an die Augustenstraße ging – lag die Abonnementszeitschrift im Pocketformat in vielen Wohnzimmern und Arztpraxen der Republik. Zielgruppe waren Menschen über 40 Jahre, meist gut situiert, literarisch interessiert, religiös und von der Grundeinstellung optimistisch, mit dem Wunsch, mehr vom Guten der Welt zu erfahren, nicht nur von Krisen und Skandalen.

Heute liegt die monatliche Auflage bei etwa 270 000 Exemplaren. 100 Mitarbeiter sind bei „Reader’s Digest“ am neuen Standort tätig, an der Ecke Vordernbergstraße/Heilbronner Straße. Das 2009 bezogene Gebäude Z-UP setzt ein architektonisches Zeichen. Hinter markanter Fassade mit abgerundeten Fenstern befasst sich die Redaktion weiterhin mit Fragen des Lebens. Was tun nach einer Operation? Wann ist der Mann ein Mann? Es gibt Fragen, die bleiben, sie stellen sich immer wieder neu.