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Deutsche Sturmgewehre gelangten in Unruheregionen Mexikos. Doch ein Gericht verhängt nur Bewährungsstrafen - und spricht drei Angeklagte frei.

Stuttgart (dpa)Als der Vorsitzende Richter das Urteil spricht, geht ein ungläubiges Raunen durch die Reihen der Rüstungsgegner im Saal. Das Stuttgarter Landgericht verhängte am Donnerstag zwei Bewährungsstrafen für ehemalige Mitarbeiter von Hecker & Koch und sprach drei Angeklagte, darunter zwei ehemalige Geschäftsführer, frei. «Dieses Verfahren ist kein Tribunal über deutsche Rüstungspolitik», betonte der Richter. Nicht so glimpflich ging das Verfahren für die Waffenschmiede aus. Von ihr sollen Verkaufserlöse in Höhe von 3,7 Millionen Euro eingezogen werden - für Waffen, die in mexikanischen Unruheregionen gelandet waren. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Bei einem Jahresumsatz von knapp 200 Millionen Euro eine durchaus relevante Summe für den mittelständischen Waffenbauer aus Oberndorf am Neckar, der zuletzt Verluste schrieb. «Wir können allerdings nicht nachvollziehen, dass das Gericht nicht nur den erwirtschafteten Gewinn des Mexiko-Geschäfts, sondern den gesamten Kaufpreis eingezogen sehen will, obwohl sich kein Mitglied der Geschäftsleitung strafbar gemacht hat», teilte das Unternehmen mit. Es habe von Beginn an mit der Staatsanwaltschaft kooperiert.

In dem Verfahren ging es um die Frage, wie in den Jahren 2006 bis 2009 etwa 4500 Sturmgewehre des Typs G36 sowie Maschinenpistolen und Zubehör an Polizeieinheiten in Unruheregionen in Mexiko landen konnten. Wegen möglicher Menschenrechtsverletzungen hätten sie nicht in diese Bundesstaaten geliefert werden dürfen.

Dreh- und Angelpunkt waren die zur Genehmigung gelieferten Endverbleibserklärungen der mexikanischen Behörden. Der Käufer bestätigt damit, dass die Waffen nicht an Drittländer weiterverkauft werden oder im Falle Mexikos in Bundesstaaten kommen, in denen Menschenrechtsverletzungen vermutet werden.

Dabei spielte unter anderem der Bundesstaat Guerrero eine Rolle, der 2014 in die Schlagzeilen geriet. Damals verschwanden dort 43 Studenten spurlos. Polizisten sollen die Männer verschleppt und einer kriminellen Organisation übergeben haben.

Das Gericht geht davon aus, dass in diesen Erklärungen bewusst falsche Angaben gemacht wurden, damit das Bundesamt für Ausfuhrkontrolle und das Wirtschaftsministerium sie abnicken würden. Damit seien die Genehmigungen erschlichen worden.

Verstöße gegen das Außenwirtschaftsgesetz sah das Gericht aber nur bei einem ehemaligen Vertriebsleiter und einer früheren Sachbearbeiterin. Ihre Freiheitsstrafen wegen «bandenmäßiger Ausfuhr aufgrund erschlichener Genehmigungen» beziehungsweise der Beihilfe dazu wurden unter anderem wegen der langen Verfahrensdauer zur Bewährung ausgesetzt. Nach jahrelangen Ermittlungen hatte die Kammer acht Monate lang verhandelt. Den beiden drohen allerdings noch Regressansprüche der Firma.

Die von Gericht und Anklage als Haupttäter ausgemachten Männer saßen nicht auf der Anklagebank. Ein früherer Bereichsleiter lebt nicht mehr. Ein ehemaliger Handelsvertreter für Heckler & Koch in Mexiko, der immer noch dort wohnt, ist seinem Anwalt zufolge zu krank, um nach Stuttgart zu reisen. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart hat für ihn inzwischen einen internationalen Haftbefehl beantragt.

Einer der Verteidiger hatte in seinem Plädoyer von einer Mischung aus politischem Willen und wirtschaftlichen Interessen gesprochen. Auch Nichtregierungsorganisationen sehen die Behörden in der Pflicht. Die Bundesregierung hatte 2015 Grundsätze für die Ausfuhr von Kleinwaffen verschärft. Zudem wurden Kontrollen im Empfängerland eingeführt.

Der Linken-Politiker Jan van Aken, der den Prozess für die Rosa-Luxemburg-Stiftung verfolgte, erneuerte die Forderung nach einem Rüstungsexportgesetz. Er lobte die Erlösabschöpfung bei Heckler & Koch. «Das hat eine abschreckende Wirkung für Waffenfirmen, die den Hals nicht voll genug bekommen können.»

Prozessbeobachter wie der Rüstungsgegner Jürgen Grässlin beklagten hingegen, dass die möglichen mit den Waffen verübten Menschenrechtsverletzungen kaum Thema waren. «Es ist ein Skandal, dass den Opfern keine Stimme gegeben wurde», sagt Grässlin. Er hatte 2010 Strafanzeige erstattet. Damals liefen die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft allerdings schon.