Die fünf Unikliniken des Landes machen mobil gegen Überlegungen, demKlinikum Stuttgart den Status einer Uniklinik zu verleihen.
StuttgartDie fünf Unikliniken des Landes machen mobil gegen Überlegungen, dem Klinikum Stuttgart den Status einer Uniklinik zu verleihen. In einem Schreiben an Ministerpräsident Winfried Kretschmann und die beteiligten Ministerien (alle Grüne) äußern die Dekane sowie die ärztlichen und kaufmännischen Direktoren der fünf medizinischen Fakultäten Zweifel an Sinn und Notwendigkeit der erwogenen Schaffung zusätzlicher Medizinstudienplätze.
Die Leitungen der bestehenden Unikliniken sehen die Medizinerausbildung in Baden-Württemberg „aktuell und für die Zukunft ausreichend sichergestellt“. Derzeit bilde man gemäß den Vorgaben „sogar überproportional viele Ärzte“ aus. Um bereits kurz- und mittelfristig eine Verbesserung der ärztlichen Versorgung im Land zu erreichen, seien „Innovationen in der Ausbildung und neue Modelle der Versorgung“ sinnvoll., Der Ausbau der Studienplätze aber würde frühestens in zehn bis 15 Jahren zu Effekten führen, heißt es in dem Schreiben.
„Kostengünstiger und flexibler“
Sollte dieser Schritt „aufgrund öffentlicher Diskussionen“ aber dennoch als politisch sinnvoll angesehen werden, könnten die bestehenden Unikliniken dieses Ziel „wesentlich einfacher, qualitätsgesichert und ökonomisch effizienter erreichen“, heißt es in dem Schreiben. Dies wäre aus Sicht der Unikliniken Freiburg, Tübingen, Heidelberg, Ulm und Mannheim auch „deutlich kostengünstiger und flexibler“ möglich als durch einen „umfassenden Aufbau komplett neuer Strukturen“. Die medizinischen Fakultäten bieten dem Land bei „angemessener Finanzierung“ an, selbst pro Jahr „100 bis 150 weitere Studienplätze kurzfristig einzurichten“. Bei der Gründung neuer Unikliniken, neben Stuttgart ist von Karlsruhe und dem Schwarzwald-Baar-Klinikum die Rede, drohten dem Land „langfristige Verpflichtungen in Milliardenhöhe“, warnen die Hochschulen. Das Klinikum Stuttgart habe „den notwendigen Finanzierungsbedarf bestätigt“.
Wie berichtet, strebt das städtische Klinikum an, per Beleihungsmodell und in Anlehnung entweder an die Unikliniken Ulm oder Tübingen in die Medizinerausbildung einzusteigen. Dadurch könnten pro Jahr mindestens 50 zusätzliche Studienplätze in Stuttgart entstehen. Hier würde aber nur die klinische Ausbildung stattfinden, die Vorklinik an der beleihenden Universität. Das Klinikum würde in den ersten zehn Jahren dafür auch Stiftungsmittel im Umfang von insgesamt 60 Millionen Euro einbringen. In dem mit mehr als 2000 Planbetten größten Krankenhaus des Landes verspricht man sich von dem Schritt neue Entwicklungsmöglichkeiten, eine höhere Reputation und Attraktivität. Überdies würden die Leistungen der hochdefizitären Klinikambulanzen als Uniklinik besser vergütet.
Die fünf bestehenden Medizinfakultäten kritisieren an dem Stuttgarter Modell auch die „Trennung der Vorklinik und Klinik“. Gemessen an der heutigen „engen Verzahnung des vorklinischen und des klinischen Studienabschnittes“ stelle das Beleihungsmodell einen „Rückschritt in veraltete und überholte Modelle und eine Verschlechterung der Ärzteausbildung“ dar. Stattdessen, fordern die Klinikleitungen, sollte das Klinikum Stuttgart „die Ausbildung von Studierenden im Praktischen Jahr intensivieren“. Bis jetzt schöpfe man dort seine Ausbildungskapazität als akademisches Lehrkrankenhaus der Uni Tübingen nicht aus.
Kritik nicht überraschend
Erste Gespräche der Stuttgarter Klinikleitung mit Ulm und Tübingen, die davon aber offenkundig nichts halten, haben bereits stattgefunden. Noch aber liegt das Konzept und der Businessplan nicht im Detail vor. Dies soll „Anfang Juni“ geschehen, sagte Stuttgarts Krankenhausbürgermeister Michael Föll (CDU). Die Kritik der Unikliniken sei „nicht überraschend.“ Das zuständige Wissenschaftsministerium des Landes ist in den Prozess eingebunden, „wobei zunächst der Austausch der potenziellen Partner untereinander im Vordergrund steht“, wie eine Sprecherin erklärte. Das Klinikum selbst erklärte, man wolle sich vorab nicht an Spekulationen beteiligen. Das Konzept sei in der „finalen Bearbeitung“. In der Sache geäußert hat sich kürzlich Staatsminister Klaus-Peter Murawski (Grüne). Dem früheren Stuttgarter Krankenhausbürgermeister war in einem Medienbericht von einem namentlich nicht genannten Mediziner vorgeworfen worden, dass er sich mit dem Projekt ein „absolutistisches Denkmal“ setzen wolle. In einer E-Mail an die Grünen-Landtagsfraktion schrieb Murawski, dass er für den Ausbau des Medizinstudiums im Land um weitere 100 Plätze eintrete. Zur Verbesserung der ärztlichen Versorgung im ländlichen Raum könne er sich „das Schaffen von je 20 Plätzen an den bestehenden Uniklinika“ ebenso vorstellen wie die „Beleihungen von je 50 Plätzen für die kommunalen Großklinika Karlsruhe und Stuttgart“. Zur Polemik gegen seine Person sagte Murawski in Richtung der Unikliniken, diese zeige „nur die übliche Angst vor Wettbewerb“.
Hintergrund
Uniklinken: In Baden-Württemberg gibt es vier beziehungsweise fünf Unikliniken: in Heidelberg, Tübingen, Freiburg und Ulm, wobei Heidelberg seit Jahrzehnten mit dem Klinikum Universitätsmedizin Mannheim einen Ableger hat. 2016 haben dort insgesamt 1534 Männer und Frauen mit dem Medizinstudium begonnen.
Klinikum: Das städtische Klinikum zählt zu den Maximalversorgern. In den 50 Kliniken und Instituten wird in etlichen Bereichen auf Universitätsniveau gearbeitet – etwa im Olgäle, im Neurozentrum und im Tumorzentrum im Katharinenhospital oder in Bad Cannstatt in der Psychiatrie und in der Hautklinik. Etwa 50 Ärzte, darunter die meisten Chefärzte, sind habilitiert und haben Professuren an Universitäten, etwa in Tübingen, für dessen medizinische Fakultät das Klinikum akademisches Lehrkrankenhaus ist. (ury)