Stuttgart - Klares Bekenntnis: Die Uni Hohenheim hat sich gestern für die Notwendigkeit von Tierversuchen ausgesprochen. Auch in Zukunft werden diese hier zum Forschungsalltag gehören. Leitlinien sollen die Tests jedoch auf ein „Minimum reduzieren“.
Affen, die Elektroden am Kopf tragen oder tumorartige Geschwüre am Kopf eines Hundes - das sind nur zwei der Bilder, die vielen Menschen beim Thema Tierversuche durch den Kopf gehen dürften. Um zu zeigen, dass die Realität an der Uni Hohenheim eine andere ist, fand gestern eine Vor-Ort-Besichtigung statt. Dazu wurde der Versuchskuhstall geöffnet und über Tierversuche bei der Erforschung von Parasiten berichtet. Außerdem beschloss der Senat der Uni zuvor einstimmig die „Hohenheimer Leitlinien für Tierversuche in Forschung und Lehre“. Diese sehen vor, die „Tierversuche auf ein Minimum zu reduzieren“, und gleichsam „soweit als nötig“ zu erhalten.
Fünf der 51 Kühe im Hohenheimer Versuchsstall haben sogenannte Pansenfisteln am Bauch. Eine davon ist Kuh Cosima. Die Luke wurde ihr bei einer Operation eingesetzt. Behalten wird sie diese ein Leben lang. Mitarbeiter der Uni können den Schraubverschluss der Pansenfistel öffnen und den Mageninhalt der Kuh entnehmen. „Das sieht schlimm aus, ist es aber nicht“, sagte Markus Rodehutscord vom Institut für Tiernahrung, als er den Brei aus Heu in der Hand hält. Durch die Analyse des Mageninhalts soll nachvollzogen werden, was bei der Verwertung des Futters im Verdauungstrakt geschieht, erklärte Versuchstechniker Raoul von Schmettow. Bei der Zersetzung des Heus im Magen seien unzählige Mikroorganismen beteiligt, die es zu erforschen gelte. Dies sei wichtig, um etwa die Methanbildung durch das richtige Futter reduzieren zu können. Das von den Tieren ausgestoßene Gas ist umweltschädlich. Die Nahrung der Tiere und deren Haltung sind Forschungsschwerpunkte der Hohenheimer Wissenschaftler. Deshalb wird unter anderem das Futter der Kühe in speziellen Trögen gewogen, um die Menge pro Mahlzeit exakt zu bestimmen. Die richtige Haltung, freundliche Melker und ideales Futter würden die Milchproduktion um bis zu 20 Prozent steigern, sagte von Schmettow. An der Uni werden nicht nur landwirtschaftliche Nutztiere erforscht; in der Parasitologie auch Zecken oder der Fuchsbandwurm. Es werden etwa Feldmäuse mit einem Fuchsbandwurm, der zuvor einem toten Fuchs entnommen wurde, gefüttert. Dadurch kann untersucht werden, wie sich der Parasit auswirkt. Da es extrem schwierig sei, die Situation in der Petrischale durch Zellen zu simulieren, wären Tierversuche hier notwendig, sagte Ute Mackenstedt vom Institut für Biologie. „Parasiten müssen am lebenden Tier vermehrt werden, um sie in der Forschung und Lehre verwenden zu können.“
Im vergangenen Jahr wurden Angaben der Uni Hohenheim zufolge Versuche an 3971 Hühnern, 1730 Mäusen, 152 Schweinen und 89 Rindern durchgeführt. 15 Prozent der Tiere wurden für den Versuch getötet. Zirka 80 Prozent der Tests entsprechen laut Uni der Kategorie „geringer Schweregrad“, etwa wenn Ferkeln Blut abgenommen wird, um herauszufinden, ob sie auf neue Objekte im Stall mit Stress reagieren. „Mittleren Schweregrad“ weisen zum Beispiel Versuche auf, bei denen Siebenschläfer in freier Wildbahn gefangen und markiert wurden. Versuche mit „hohem Schweregrad“ gebe es derzeit an der Uni nicht. Ausgeschlossenen werden könnten diese künftig aufgrund unterschiedlicher Forschungsinteressen jedoch nicht, sagte Stephan Dabbert, Rektor der Uni Hohenheim.