Evi Schmidt hat im Rahmen des europäischen Austauschprogramms Erasmus ein Semester lang an der Edinburgh Napier University in Schottland studiert. Foto: privat Quelle: Unbekannt

Von Janey Olbort

Stuttgart - Für ein Semester im Ausland studieren. Neue Leute und eine neue Uni kennenlernen. Das wird Studenten in Europa seit 30 Jahren durch das Austauschprogramm Erasmus ermöglicht. Was bringt der Auslandsaufenthalt den Studenten? Welche Hürden gilt es zu überwinden? Zwei ehemalige Teilnehmerinnen der Universität Stuttgart über ihre Erfahrungen.

Seit Ende der 1980er-Jahre machen sich Studenten der Uni Stuttgart auf, um über das Austauschprogramm ein Semester im europäischen Ausland zu absolvieren. Und das mit zunehmender Begeisterung, wie ein Blick auf die Zahlen beweist: Im Studienjahr 1993/1994 reisten 88 Studenten ins Ausland, aktuell sind es 370. Auch die Anzahl der internationalen Erasmus-Studenten, die ein Semester an der Uni Stuttgart verbringen, steigt: Von 43 (im Jahr 1993/94) auf 210 im vergangenen Studienjahr. Am Austauschprogramm nehmen die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union sowie Norwegen, Island, Liechtenstein und die Türkei teil. Wohin die Reise der Studenten im Einzelfall geht, hängt von der Uni und dem jeweiligen Studiengang ab.

Mit dem Reiz, der mit dem „Abenteuer im Ausland“ verbunden ist, gehen bei den Teilnehmern oft auch Sorgen einher: Werde ich an der neuen Uni zurechtkommen? Werde ich mich wohl fühlen und Anschluss finden? Was ihr vor dem Auslandsaufenthalt die größten Sorgen machte, war die Wohnungssuche, sagt Evi Schmidt. Die 23-Jährige studierte im vergangenen Jahr an der Edinburgh Napier University in Schottland. Die Zusage für ein WG-Zimmer bekam die Studentin erst einen Tag vor der Abreise. Auch der schottische Akzent bereitete ihr Kopfschmerzen: „Mit ein bisschen Übung hat es dann aber geklappt.“ Schmidt studiert Englisch und Biologie auf Lehramt. Ihr Berufswunsch Lehrerin war auch ein Grund, ins Ausland zu gehen: „Für meine Arbeit ist es wichtig, fließend Englisch zu sprechen und verschiedene lokale Dialekte zu kennen.“ An der schottischen Uni hat sie beeindruckt, dass das Verhältnis zwischen Dozenten und Studenten persönlicher als an der Stuttgarter Uni war und ihr bei Fragen zu Ausflugszielen oder der schottischen Kultur weitergeholfen wurde.

Durch ihren Aufenthalt ist die 23-Jährige vor allem persönlich gereift. „Wenn man ein Auslandssemester macht, werden die Karten neu gemischt und man muss wieder bei null anfangen“, sagt sie mit Blick auf soziale Kontakte und den Alltag in Deutschland. Anschluss an einheimische Studenten hat sie trotz kleinerer Hürden gefunden. „Leider war es manchmal schwierig, Einheimische kennenzulernen, da vor allem in den höheren Semestern viele Studenten schon Teil fester Gruppen sind, an die man nicht so leicht Anschluss findet.“ Deshalb erforderte es ein wenig Arbeit und Eigeninitiative, um schottische Freunde zu finden. „Mein großer Vorteil war, dass meine Mitbewohnerinnen aus Schottland waren.“ Außerdem ist sie in einen lokalen Sportverein eingetreten. Nach einem Semester in Edinburgh ist die angehende Lehrerin „mit vielen guten Freunden aus verschiedenen Ländern“ zurückgekehrt und hat viel gelernt: „Mir ist bewusst geworden, wie wichtig der kulturelle Hintergrund für die Ansichten einer Person sind.“ Erasmus hilft ihrer Meinung nach, „über den eigenen Tellerrand hinauszuschauen“ sowie Vorurteile und Ansichten zu hinterfragen.

Am Anfang nicht entmutigen lassen

Die Sensibilisierung für andere Kulturen ist es auch, die Catherine Müller als großen Nutzen eines Auslandsaufenthalts beschreibt. Sie ist am Internationalen Zentrum der Uni Stuttgart für die Koordination des Erasmus-Programms zuständig und verbrachte als Studentin das Wintersemester 2002/2003 an der Universidad Pontificia de Comillas in Madrid. Rückblickend schätzt die 36-Jährige, dass sie durch ihre Zeit in Spanien selbstständiger wurde. Einerseits sind Freunde oder Familie, die sonst mit Rat und Tat zur Seite stehen, nicht mehr so leicht zu erreichen, gleichzeitig ist es nicht immer einfach, sich in einer fremden Umgebung zurechtzufinden. Schon gar nicht, wenn es wegen der fremden Sprache Verständigungsprobleme gibt oder die gewünschten Kurse an der Uni bereits belegt sind, sagt Müller. „Es lohnt sich, wenn man sich von anfänglichen Schwierigkeiten nicht entmutigen lässt.“