Stuttgart (dpa) - Der Stuttgarter RAF-„Tatort“ ist auf großes Interesse gestoßen: Den Fall „Der rote Schatten“ sahen am Sonntagabend ab 20.15 Uhr im Ersten 9,27 Millionen Menschen. Der Marktanteil betrug 27,2 Prozent.

Thorsten Lannert (Richy Müller) und Sebastian Bootz (Felix Klare) haben den Mord an einer Frau in der Badewanne klären - die Spuren führen die Kommissare in die Zeit des Deutschen Herbstes und des RAF-Terrors zurück. „Der rote Schatten“ spielt auf zwei Zeitebenen und zeigt historische Aufnahmen. Am 18. Oktober 1977 hatten die RAF-Terroristen Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Jan-Carl Raspe im Gefängnis in Stammheim Suizid begangen. Zuvor hat die RAF Arbeitgeberpräsident Hanns Martin Schleyer entführt, um deren Freilassung zu erwirken.

Der Journalist und RAF-Experte Stefan Aust übt heftige Kritik an der Darstellung der Todesnacht. Im „Tatort“ von Regisseur Dominik Graf war die Frage offen geblieben, ob die Terroristen der „Roten Armee Fraktion“ (RAF) sich im Gefängnis das Leben nahmen - oder doch ermordet wurden. „Es gibt keine ernstzunehmenden Zweifel daran, dass es Selbstmord war“, sagte Aust der „Bild“-Zeitung.

Im „Tatort“ wurde der Mord an den Gefangenen der RAF in zwei Versionen inszeniert, auch als Mord durch eine geheime Truppe. „Das wird bei den Zuschauern hängen bleiben“, kritisierte Aust, Autor des Buches „Der Baader-Meinhof-Komplex“. „Ich halte das für sehr problematisch. Das ist RAF-Propaganda.“

Der Südwestrundfunk (SWR) wies das zurück. „Dieser Tatort ist nicht pro RAF“, betonte Manfred Hattendorf, kommissarischer SWR-Filmchef, gestern. „In der Form spannender Krimiunterhaltung bezieht der Tatort Position, ohne sich für eine Deutungsvariante zu entscheiden.“ Bei den Zuschauern kam der Fall zumeist gut an. „Einer der wenigen neuen „Tatorte“, die ich mit Spannung verfolgt habe“, schrieb eine Nutzerin bei Facebook. Eine andere kommentierte: „Sehr spannend, super gemacht mit den Rückblenden!“ Nicht alles im „Tatort“ ist Aust zufolge völlig aus der Luft gegriffen - etwa die Darstellung, dass die Terroristen in der Zelle abgehört wurden. „Es gibt eine Reihe neuer Beweise dafür, dass die Gegangenen Baader, Ensslin, Raspe und Möller während der Schleyer-Entführung tatsächlich abgehört wurden.“ Regisseur Dominik Graf (65) wirft dem Staat mangelnde Aufarbeitung der RAF-Zeit vor. „Das Thema wurde überwiegend einseitig aufgearbeitet. Viel zu viel Schlamperei und Vertuschung der staatlichen Behörden wurde und wird bei uns unter den Teppich gekehrt.“