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Die städtische Wohnbaugesellschaft SWSG verhandelt mit der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben über den Kauf der historischen Siedlung.

StuttgartDer Verkauf der kompletten Weißenhofsiedlung soll noch vor Ende des Jahres über die Bühne gehen. Dagegen wehren sich zahlreiche Mieter der historischen Siedlung auf dem Killesberg – einige sprechen sogar von einem Skandal. Nach Informationen unserer Zeitung geht es bei den Verhandlungen zwischen Bund und Stadt auch um die Frage, ob nach einem Verkauf weiterhin vorrangig Angestellte des Bundes in der Siedlung wohnen dürfen oder nicht.

Nils Büttner wohnt in der Weißenhofsiedlung. Er ist Professor an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste. „Für mich ist der Verkauf an die SWSG ein Skandal“, sagt er. Büttner hat sich mit mehr als 60 anderen Mietern zusammengeschlossen und will sich gegen den Verkauf der Weißenhofsiedlung wehren. In einem Brief an Vizekanzler und Finanzminister Olaf Scholz (SPD) fasst der Kunsthistoriker seine Befürchtungen zusammen: Der geplante Verkauf „konterkariert die politischen Bemühungen zur Wohnfürsorge“. Und: „Es verhindert sachgerechten Denkmalschutz.“

Konkret meint Büttner damit Folgendes: „Vor dem Hintergrund der Wohnungsnot in Stuttgart und vor dem Hintergrund des jüngsten Wohnungsgipfels in Berlin darf die Siedlung nicht verkauft werden.“ In Berlin sei es dem Bund ein Anliegen gewesen, die Wohnfürsorge für die eigenen Bediensteten zu sichern und auszubauen, so Büttner weiter. „In Stuttgart hat der Bund Wohnungen und verkauft diese. Das ergibt keinen Sinn.“

Angesichts des Status der Weißenhofsiedlung als Weltkulturerbe fordert Büttner: „Es muss eine Debatte geführt werden, was man mit der Siedlung machen will und was mit den historischen Gebäuden geschehen soll. Doch das hat nicht stattgefunden.“

Mit Blick auf die Gefahr eines mangelnden Denkmalschutzes nimmt Büttner Aussagen von Stuttgarts Erstem Bürgermeister Michael Föll (CDU) – gleichzeitig Aufsichtsratsvorsitzender der SWSG – als Beispiel. Föll habe stets darauf verwiesen, dass die SWSG die Siedlung wirtschaftlich betreiben müsse, sagt Büttner. „Man darf mit der Weißenhofsiedlung aber nicht umgehen wie mit einer beliebigen Immobilie“, so Büttner.

Auf Anfrage erklärt der potenzielle Käufer, das städtische Tochterunternehmen SWSG, man wolle sich mit Blick auf die laufenden Verhandlungen nicht öffentlich äußern. Der aktuelle Eigentümer, die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima), bestätigt immerhin, dass man sich in exklusiven Gesprächen mit der SWSG befinde. „Der weitere Verlauf dieser Gespräche bleibt abzuwarten.“

Sorge über steigende Miete

Föll erklärt: „Die SWSG hat seit Langem Interesse am Kauf der Weißenhofsiedlung.“ Es sei das Ziel der Stadt, diese „Ikone des Siedlungsbaus wieder in kommunale Hand zu holen. Zudem wäre das ein tolles Signal für die Internationale Bauausstellung im Jahr 2027.“ Gefragt nach dem Stand der Verkaufsgespräche, sagt Föll: „Ich bin vorsichtig optimistisch.“ Aktuell sei zwar noch nichts in trockenen Tüchern. Er hoffe jedoch darauf, die Verkaufsverhandlungen noch vor dem Jahresende erfolgreich abschließen zu können.

Angesprochen auf die von den Mietern aufgeworfene Frage der Wohnraumfürsorge des Bundes, bestätigt Föll: „Das Thema spielt tatsächlich eine Rolle bei den Verhandlungen.“ Das bedeutet konkret: Bund und Stadt sind sich noch nicht darüber einig geworden, ob in den Wohnungen auch nach einem Verkauf durch die Bima vorrangig Bedienstete des Bundes wohnen sollen oder nicht.

Was den Denkmalschutz angeht, sagt Föll: „Die SWSG hat sich weiterentwickelt und in den vergangenen Jahren bewiesen, dass sie mit hochrangigen Bauhaus-Quartieren angemessen umgehen kann.“ Als Beispiel nennt der Aufsichtsratschef die drei anderen großen Bauhaus-Siedlungen in der Landeshauptstadt, die Siedlung Ziegelklinge im Stuttgarter Süden sowie die Inselsiedlung und die Wallmersiedlung in Untertürkheim, die bereits zum Bestand der städtischen Wohnbautochter SWSG gehören.

Eine Sorge der 92 Mietparteien der Weißenhofsiedlung dürfte neben allen politischen Belangen und den Befürchtungen in Sachen Denkmalschutz auch die Sorge über ein Ansteigen der eigenen Miete sein. Teilweise bezahlen die Bewohner deutlich weniger als zehn Euro pro Quadratmeter Kaltmiete, was mit Blick auf die herausgehobene Lage und Architektur des Quartiers sowie die aktuelle Marktsituation in Stuttgart als außergewöhnlich günstig gilt. Zudem räumt die Stadtverwaltung ein, dass die Siedlung erheblichen Sanierungsstau aufweist.

Nach Informationen unserer Zeitung wird zwischen Bima und SWSG derzeit über einen Kaufpreis von rund 16 Millionen Euro verhandelt.