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Viele Städte würden wegen Wohnraummangel die Vermietung an Touristen über Airbnb gerne stoppen. In Stuttgart wird das schwierig.

StuttgartDie Rechtsgrundlage in Stuttgart ist anders als in Paris oder München. Daher sind Klagen gegen Onlineportale für die Vermittlung von Ferienwohnungen hier nicht möglich.

Wie geht Paris vor?

Sehnsuchtsort Paris: Dorthin blicken neuerdings auch jene Mitarbeiter der Stuttgarter Stadtverwaltung ein wenig neidvoll, die gegen das illegale Umfunktionieren von Wohnraum in Ferienwohnungen kämpfen. Frankreichs Hauptstadt geht gerichtlich gegen die Wohnungsvermittlung Airbnb vor, der sie den Verstoß gegen geltende Auflagen vorwirft. Die Bürgermeisterin Anne Hidalgo will mit Richterhilfe erwirken, dass die Online-Plattform sich korrekt verhält und nicht dringend benötigte Wohnungen illegal als Touristendomizile vermietet werden. Außerdem stehen Strafzahlungen in Höhe von 12,5 Millionen Euro zur Debatte. Stuttgart aber ist, auch in dieser Beziehung, nicht mit Paris vergleichbar.

Wie unterscheidet sich die Situation?

Obwohl die Stuttgarter Verwaltung sich dafür einsetzt, dass Firmen wie Airbnb zur Auskunft über die im Netz angebotenen Wohnungen gezwungen werden, habe das Unternehmen in Baden-Württemberg immer noch keine Auskunftspflicht gegenüber der Stadt, sagt Sven Matis, Sprecher der Stadt Stuttgart. Paris dagegen hat die Vorschrift erlassen, dass Wohnungsangebote mit einer Registrierungsnummer versehen sein müssen, mit deren Hilfe die Lage der Wohnung bestimmt und die Vermietungspraxis überprüft werden kann. Eine ähnliche Regelung wurde in Berlin eingeführt. Mit dieser Nummer können Städte die eigentlichen Vorkehrungen gegen die Zweckentfremdung von Wohnraum besser durchsetzen.

Worum geht es den Städten?

Die Stadt Paris schreibt allen Vermietern vor, dass sie ihre Wohnungen maximal 120 Tage pro Jahr als Unterkunft für Touristen anbieten. Auf jedes nicht registrierte Angebot entfällt laut Gesetz eine Strafzahlung in Höhe von 12 500 Euro. Auch Stuttgarts Verwaltung unterscheidet, ob die Wohnungen nur sporadisch vermietet werden, weil die Besitzer zum Beispiel gerade im Ausland sind, oder ob die Vermietung „prägend“ ist. Außerdem: Bevor 2016 die Satzung gegen die Zweckentfremdung in Kraft trat, hatte die Stadt schon 90 dauerhafte Ferienwohnungen genehmigt.

Wie sieht die Realität in Paris aus?

Die Pariser Stadtverwaltung sprach jetzt von rund 1000 nicht registrierten Wohnungsangeboten. Dabei hatte man bereits im April 2018 die Justiz eingeschaltet, um Airbnb und die Plattform Wimdu zu zwingen, Anzeigen ohne Registrierungsnummer zu löschen. Bürgermeisterin Hidalgo warnte mit Blick auf den angespannten Mietmarkt im Zentrum vor einer Entwicklung wie in „Venedig oder Barcelona, wo Einwohner sich gegen Besucher wenden“.

Wie ist die Entwicklung in Stuttgart?

Im vergangenen Jahr wurde bekannt, dass 2017 in Stuttgart etwa 340 komplette Ferienwohnungen bei Airbnb angeboten worden waren – neben 539 Privatzimmern. Der Mieterbund schätzte, dass in Stuttgart bis zu 1200 Wohnungen dem Wohnungsmarkt entzogen wurden. Das Baurechtsamt, das für das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum zuständig ist, konnte aber nicht beurteilen, welche Wohnungen legal und welche illegal angeboten wurden. Dass der Portalbetreiber keine Auskunft gab, sei wegen des Datenschutzes und des Wettbewerbsverhältnisses mit anderen Portalen verständlich, meinte die Stadtverwaltung. Sie forderte vom zuständigen Landeswirtschaftsministerium, eine Auskunftspflicht für die Portalbetreiber ins Gesetz gegen die Zweckentfremdung von Wohnraum zu nehmen. Das Ministerium wurde nicht tätig. Danach forderte die Stadt, eine Pflicht zur Einholung von Registrierungsnummern einzuführen. Passiert ist das aber auch nicht.

Wie verhält sich Airbnb jetzt?

Die Betreiber der Online-Plattform entgegneten der Pariser Stadtverwaltung, es seien bereits Maßnahmen ergriffen worden, um die Einhaltung der geltenden Regeln in Paris sicherzustellen. Zugleich kritisierte das Unternehmen, dass die Vorschriften „ineffektiv und unverhältnismäßig“ seien und gegen europäisches Recht verstießen.

Warum blickt Stuttgarts Verwaltung auch sehnsuchtsvoll nach München?

Dort hat ein Verwaltungsgericht im Dezember Airbnb verpflichtet, der Stadt Daten über angebotene Wohnungen herauszugeben, Airbnb hat aber „Berufungszulassung beantragt, da der Schutz personenbezogener Nutzerdaten für uns höchste Priorität hat“. Auch in Bayern ist die Rechtsgrundlage anders als in Baden-Württemberg: Im Freistaat sind nicht nur Besitzer, sondern auch Verwalter und Vermittler von Wohnungen gesetzlich verpflichtet, Unterlagen vorzulegen, damit die Einhaltung des Zweckentfremdungsverbots kontrolliert werden kann. Im Südwesten dagegen sind nur Verfügungsberechtigte und Besitzer zur Mitwirkung verpflichtet – wenn die Kommunen an sie herankommen. Das Urteil von München zeige, dass der Stuttgarter Vorschlag an die Adresse des Landes „wirksam und europarechtskonform wäre“, erklärte Stadt-Sprecher Matis. Und weiter: „Wir stehen bereit, brauchen aber vom Land Unterstützung.“ Dort führe man aber ins Feld, der bürokratische Aufwand sei zu groß.

Kann Stuttgart also gar nichts tun?

Die Stadt könnte höchstens versuchen, die angebotenen Wohnungen mithilfe von Fotos und Beschreibungen im Internet zu finden. Auf etwa 200 Meter habe die Stadt die Standorte bei der Untersuchung des Airbnb-Angebots schon einmal eingrenzen können, erklärte das Baurechtsamt früher. Suchtrupps losschicken, die den genauen Standort herausfinden, wollte das Baurechtsamt jedoch bewusst nicht. „Das würde Unmut in der Stadt auslösen“, sagte Amtsleiterin Kirsten Rickes im Sommer 2018.

Verteidigung: Airbnb verweist auf eine „vom Bundeswirtschaftsministerium veröffentlichte Studie“, wonach „Airbnb keine nennenswerten Auswirkungen auf deutsche Wohnungsmärkte hat“. Demnach würden ganze Unterkünfte, die mehr als 182 Tage über Airbnb vermietet werden, weniger als 0,1 Prozent aller Wohnungen in deutschen Städten ausmachen.

Stuttgart: Hier sind laut Airbnb nur rund die Hälfte der auf der Plattform vermieteten Unterkünfte ganze Wohnungen. Auch die würden zum größten Teil überwiegend von den Gastgebern selbst bewohnt und nur gelegentlich vermietet, dem Wohnungsmarkt also „nicht entzogen“.