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Wenn Probleme Sie nicht ärgern, sondern anspornen, dann könnte in Ihnen ein Erfinder schlummern. Ob Sie dann ein Solarboot entwerfen oder Bananenkleber, bleibt abzuwarten.

Stuttgart (dpa/lsw)Irgendwann hatte Henri Hallmann genug davon. Wieder hatte er die Flasche geöffnet und erneut war ihm die Milch beim Eingießen ins Glas entgegengekommen. Der heute 15-Jährige aus Konstanz tüftelte ein bisschen rum, schmiss den 3D-Drucker an - und fertig war der schwappfreie Ausgießer, ein kleiner grauer Aufsatz für alle gängigen Flaschengrößen.

Nach Auszeichnungen bei Regionalwettbewerben hat sich Henri nun mit seiner Idee auch beim Artur-Fischer-Entdeckerpreis beworben. Er ist nicht der Einzige, den Alltagsprobleme anspornen. Rund 170 junge und ältere Erfinder haben in diesem Jahr für die mit insgesamt 38.000 Euro dotierten Preise kandidiert, die am Mittwoch in Stuttgart verliehen wurden.

In den meisten Fällen ist der Alltag die Bühne der Erfinder, hier stoßen sie auf die Probleme, die sie lösen wollen. Und zunehmend befassen sich diese Probleme mit den «grünen Themen», mit dem Klimawandel, der Welternährung, der Plastikverschmutzung, Müll. «Sie sind total am Puls der Zeit», sagt auch der Geschäftsführer der Stiftung Jugend forscht (Hamburg), Sven Baszio.

Zwei Jahre lang tüftelten zum Beispiel Finja Ledwig und ihre Freundin Nina Müller aus Spaichingen am Obst-O-Mat, einer Art Obstsalatmaschine mit Fließband, Kühlelementen und Spanbrett aus dem Baumarkt. «Wir wollten etwas machen, das irgendwas verbessert», erklären sie nun und präsentieren stolz in Stuttgart ihren Aufbau.

Kaffeekapseln aus Gelatine

Stützhilfen und Fahrradlampen, ein Solarboot, ein Gardinenschienensystem und Kaffeekapseln aus Gelatine - auch die anderen Kandidaten für den Erfinderpreis wollen mit ihren Ideen vor allem Probleme pragmatisch lösen. Während sich die einen mit technischen Finessen wie Kühlmittelkreisläufen, Filtermethoden und Wärmedämmung auseinandersetzen, widmen sich andere Erfinder den ganz normalen Alltagsproblemen: Wie zum Beispiel baut man eine Kinderzimmertüre zur Rennbahn um, wie putzt man seinen Autoscheibenwischer - und kann man aus Bananen Klebstoff herstellen? Mit einem 3D-Memory-Spiel für ältere Menschen bewirbt sich ein Schüler aus Aalen um den Erfinderpreis, drei Jugendliche aus Waldshut bauten dagegen eine Pelletpressmaschine.

Es setzt sich schließlich dennoch die eher komplizierte, aber sehr findige Idee eines 74-jährigen Gaggenauers durch, mit der aus Klärschlamm Stoffe wie Nickel zur Wiederverwertung herausgefiltert werden können. Edmund Eraths Erfindung sei ressourcenschonend und umweltfreundlich, urteilt die Jury über den Gewinner-Beitrag. Für den ersten Platz in der Kategorie «Private Erfinderinnen und Erfinder» bekommt der Umweltschutz-Berater am Mittwochabend 10.000 Euro.

Neben der Anerkennung biete der Wettbewerb ein wichtiges Forum zum Austausch zwischen Erfindern und Unternehmen, erklären die ausrichtende Fischer-Unternehmensgruppe und die Baden-Württemberg Stiftung. Die Erfahrung macht auch das Deutsche Patent- und Markenamt, wo einige der Ideen vielleicht eines Tages geschützt werden: «Der Weg zum Technikstudium und dann in eine Entwicklungsabteilung oder zum erfolgreichen Start-up führt oft über Jugenderfinderpreise», sagt dessen Präsidentin Cornelia Rudloff-Schäffer. Die steigenden Teilnehmerzahlen zeigten, dass immer mehr Jugendliche wüssten, wie sehr Technikverständnis ihre beruflichen Perspektiven verbessere.

Sind Schülerforschungszentren die Lösung?

Allerdings scheint der Ideenreichtum junger Menschen in Deutschland noch nicht ausreichend gefördert zu werden: «Die Zahl junger Erfinder in Deutschland nimmt zwar stark zu», sagt der Geschäftsführer der Stiftung Jugend forscht, Sven Baszio. «Das Potenzial ist aber bei weitem nicht gehoben. Nach wie vor wird die Kraft des jugendlichen Erfindergeistes bei uns unterschätzt.»

Lehrer sollten zum Beispiel besser ausgebildet werden, um Talente gezielter zu erkennen und für die Forschung fit zu machen. Außerdem gebe es in Deutschland abseits der Schulen zu wenige Orte, an denen sich jugendliche Erfinder treffen, austauschen und experimentieren könnten, sagte Baszio. «Schule allein reicht da nicht, dort sind die zeitlichen Räume und die Infrastruktur zu beschränkt.» Jugendliche müssten sich regelmäßig treffen und zum Beispiel in sogenannten Schülerforschungszentren ihren Ideen nachgehen können.

Auch Henri Hallmann, der in Stuttgart nicht zu den Gewinnern in den Schüler-Kategorien gehört, würde einen solchen Ort nutzen. «Gäbe es so etwas bei uns in der Nähe, würde ich es nutzen», sagt er. «Auch wenn ich hin und wieder froh bin, alleine zu sein beim Entwerfen.»