Von Sebastian Steegmüller

Stuttgart - Laut einer Bedarfsanalyse des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln werden in Stuttgart jährlich 5167 neue Wohnungen benötigt - dreimal mehr als die Zielvorgabe von Oberbürgermeister Fritz Kuhn. Die Stadt kritisiert die Untersuchung, die Haus & Grund und der Mieterverein vergangene Woche vorgestellt haben. Es brauche Wohnungsbau mit Maß.

Wie berichtet hatten die beiden Vereine gefordert, dass die Stadt die Bautätigkeiten deutlich intensivieren soll, um mehr Wohnraum zu schaffen. Klaus Lang, der Vorsitzende des Eigentümervereins, forderte in erster Linie, dass man mehr in die Höhe geht, kritisierte jedoch auch, dass „in Stuttgart jeder Grashalm unter Naturschutz steht“ und daher zu wenig Bauflächen zur Verfügung stehen. Der Chef des Mietervereins Stuttgart, Rolf Gaßmann, fügte hinzu, dass „nicht jeder Acker für die Ökologie dermaßen wichtig“ sei. Stattdessen könne er sich den Bau von Gebäuden mit begrünten Flachdächern vorstellen.

Vorschläge, die für die Rathausspitze inakzeptabel sind. „Mehr als die Hälfte unserer Stadt besteht aus Wald, Landwirtschafts- oder Erholungsfläche. Das ist ein hohes Gut“, sagte Stadtsprecher Sven Matis am Freitag. „Davon profitieren die Einwohner schon heute, auch die nachfolgenden Generationen. Denn: Diese Flächen werden auch gebraucht, damit sich der Kessel in heißen Phasen abkühlen kann. Außerdem sind auf zahlreichen Flächen in der Stadt bereits wichtige Bauprojekte am Laufen, weitere folgen.“ Darüber hinaus sieht die Verwaltung bis 2020 ausreichend Potenzial für den Wohnungsbau in der Stadt. Das zeige auch die Zeitstufenliste.

Einmal Göppingen dazu bekommen

Auch OB Kuhn ist nicht entgangen, dass immer mehr Menschen nach Stuttgart wollen, um hier zu leben und zu arbeiten. „Seit dem Tiefstand im Jahr 1999 hat die Stadt 58 000 Einwohner hinzugewonnen - dies entspricht etwa der Größe von Göppingen“, so Matis. Stuttgart biete alles, was man zu einem guten Leben braucht, eine gute Konjunktur, Kultur in allen Facetten, zahlreiche Bildungsmöglichkeiten und optimale Infrastruktur. „Die Zahl von 1800 neue Wohnungen im Jahr ist realistisch. Sie spiegelt die Bevölkerungsentwicklung wider und soll gleichzeitig unsere wichtigen Grünflächen erhalten.“

Zwischen 2005 und 2015 seien 17 200 Wohnungen entstanden. Der Trend zeige: Es werde auch wieder mehr gebaut. „So haben sich seit 2005 die Genehmigungen mehr als verdoppelt (115 Prozent) und die Zahl der fertigen Wohnungen hat sich fast verdoppelt (90 Prozent). In absoluten Zahlen heißt das: 2013 gab es 1500 neue Wohnungen, 2014 schon 1914 und 2015 sogar 2129. Im Jahr 2016 waren es 2125.“ Die Stadt sieht bis 2020 ausreichend Potenzial für den Wohnungsbau in Stuttgart. In 20 größeren Gebieten können laut der Zeitstufenliste rund 3750 Wohnungen realisiert werden, zuzüglich 750 Wohnungen für Studierende. Beispiele nennt Matis auch: Unter anderem entstehen im Olga-Areal 224, im Bürgerhospital 600 und im Neckarpark bis zu 800 Wohnungen. Noch mehr Potenzial könnte das Rosensteinviertel mit voraussichtlich 7000 Wohnungen haben.

„Um mehr Wohnraum in Stuttgart zu schaffen, investiert die Stadt 2016 und 2017 insgesamt über 90 Millionen Euro“, so Matis. Auch im kommenden Doppelhaushalt sei „Wohnen“ ein Schwerpunkt. Im Moment sei jedoch nicht das Geld das Problem, so Kuhn. „Es sind die fehlenden Flächen. Wer jedes Jahr in Stuttgart über 5000 Wohnungen bauen will, muss aufzählen, welche Flächen dafür Jahr für Jahr geopfert werden sollen. Sonst ist diese Zahl einfach nur eine Luftnummer.“