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Die SSB unterhalten vier Werkstätten. Die größte davon ist in Stuttgart-Möhringen. Dort werden Bahnen auch nach Unfällen wieder instand gesetzt.

StuttgartDer Kommentar kommt so sicher wie das Amen in der Kirche. Wenn nacheinander in kurzem Zeitraum zwei bis drei Stadtbahnunfälle geschehen sind, bei denen die Bahnen anständig eingedellt wurden, fragt ein Scherzbold bald unter der entsprechenden Unfallmeldung im Internet: „Haben die überhaupt noch genug Bahnen übrig?“ Oder auch: „Ist die Werkstatt nicht schon überfüllt?“ Die Stuttgarter Straßenbahnen (SSB) können das beantworten: Ja, haben sie. Und nein, ist sie nicht. Das belegt ein Blick in die Hauptwerkstatt der SSB in Möhringen. Hier warten und reparieren die Mitarbeiter der SSB die 204 Wagen der gelben Stadtbahnflotte. Thomas Moser, der technische Vorstand, rechnet vor: „204 haben wir, 186 sind normalerweise im Einsatz, mit zwei bis drei, die wegen Unfällen beschädigt sind, kalkulieren wir im Schnitt. Also es reicht immer.“ Die Reserve sei natürlich nicht nur wegen zu erwartender Zusammenstöße mit anderen Fahrzeugen vorgehalten: Die Bahnen müssen auch regelmäßig eine Wartung durchlaufen, dann stehen sie ebenfalls in einer der Werkstätten. Neben der Hauptwerkstatt unterhalten die SSB noch drei Betriebswerkstätten in Möhringen, Heslach und Remseck. 330 Mitarbeiter haben die Werkstätten insgesamt, 150 davon arbeiten in den Betriebswerkstätten. Sie kommen aus unterschiedlichen Berufen: Karosseriebauer sind dabei, Industriemechaniker, Lackierer, Schreiner, Polsterer und Glaser. Der Aufwand, eine verunfallte Bahn wiederherzurichten, ist enorm. Das sieht man an einem Wagen, der zurzeit noch in der Halle in Möhringen steht, aber noch längst nicht wieder fahrbereit ist: Der Unfall war im Juli 2018. In Wangen war eine Bahn von einem Autotransporter regelrecht aufgeschlitzt worden. Einen Teil der Spuren sieht man noch: Kratzer und Dellen an der Seite.

Doch die Karosseriebauer haben bereits die größten Schäden behoben. Die Stützen zwischen den Fenstern, die eingedrückt waren, wurden ausgeschnitten, ein neues Stahlblech eingeschweißt. Diese Teile müssen nun noch exakt auf die Fensterform gebracht werden, das geschieht mit der Flex. Danach kommen noch die Feinarbeiten, der Wagen rollt am Ende in die Lackiererei – und für den Fahrgast sieht er danach aus, als sei nichts gewesen. Die Sicherheit und Stabilität sei ebenfalls wieder gewährleistet, betont Moser. Auf etwa 200 000 Euro schätzt er die Kosten für die Reparatur. Die andere Hälfte des Zuges ist schon fertig repariert. Die Frage, ob sich eine Reparatur noch lohnt, wird in nahezu allen Fällen mit einem „Ja“ beantwortet. Einmal, vor 15 Jahren, sei ein fast 40 Tonnen schwerer Kieslaster bei Remseck gegen eine Bahn gefahren, berichtet Alexander Knoll, der Leiter des SSB-Unternehmensbereichs Schiene. Da sei der neue Wagen schon bestellt gewesen – und man habe dann trotzdem noch den beschädigten repariert, „weil wir gerade Bedarf an Wagen hatten“.

Ein Unglück kommt selten allein – diese Faustregel gilt nach jahrelanger Erfahrung für schwere Stadtbahnunfälle. „Wenn einer passiert mit großem Schaden, dann kann man drauf wetten, dass noch zwei weitere folgen, das ist die magische Drei“, sagt Thomas Moser. So sei es auch im Jahr 2018 gewesen. Nach dem Wangener Unfall seien noch zwei weitere schwere geschehen. In einem Fall stießen sogar zwei Stadtbahnen zusammen. Der Eindruck, es würden immer mehr Unfälle mit Stadtbahnen geschehen, trüge allerdings. „Es sind im Schnitt immer ähnlich viele“, berichtet Moser. Das bestätigt auch die Stuttgarter Polizei: Eine genaue Statistik für 2018 gibt sie noch nicht heraus, es seien aber „nur ein paar wenige mehr“ als 2017 gewesen, berichtet ein Sprecher. Da waren es 112 (2015: 108).

In der Werkstatt wird natürlich nicht nur repariert. Wesentlich mehr Raum nehmen die Wartungen ein. Ein Stadtbahnwagen hat eine Lebenserwartung von etwa 45 Jahren, bei Anschaffungskosten von etwa vier Millionen Euro. Daher fahren auch die Stadtbahnen der ersten Generation mit etwas mehr als 34 Jahren auf dem Buckel immer noch. Regelmäßig überholen die Fachleute die Bahnen. Unterschieden wird dabei in Teilsanierungen, bei denen das Innenleben ausgetauscht und überholt wird, und in Generalsanierungen. Bei Letzterer werden auch eine neue technische Ausstattung und Kabel eingebaut.

Auch die Räder werden in der Werkstatt getauscht. 650 000 bis 700 000 Kilometer halten sie, dann sind sie abgefahren. Das dauert bei einer Laufleistung von 100 000 Kilometern pro Jahr sechs bis sieben Jahre. Sie werden weder geschweißt noch geschraubt, sondern aufgepresst. Die Werkstatt hat dafür eine neue Presse bekommen. Gerade haben sich die Arbeiter darum versammelt, um eine Einweisung zu erhalten. Thomas Moser macht die Runde, alle bekommen einen Handschlag. „Das sind alles super Fachleute mit Spezialwissen“, sagt er bewundernd. Stolz ist er auch auf viele Teile der Werkstatt: „Es gibt fast nichts, was wir nicht machen.“ Und zeigt, wie sein Kollege Horst Nagel einen Motor wickelt. „Wo sieht man das heute noch?“ fragt er.

Unfälle mit Stadtbahnen

Schwere Unfälle: Zwei Stadtbahnunfälle sind im vergangenen Jahr der Öffentlichkeit besonders im Gedächtnis geblieben. Im Juli 2018 kam es zum Zusammenstoß eines Autotransporters mit einer Bahn in Stuttgart-Wangen. Der Lastwagenfahrer wollte rangieren, um abbiegen zu können. Die Bahn wurde auf der ganzen Länge beschädigt. Anfang September geschah dann ein Unfall mit Seltenheitswert: In Stuttgart-Untertürkheim stießen zwei Stadtbahnen zusammen. Der Grund dafür war eine falsch gestellte Weiche.

Statistik: In den zurückliegenden Jahren ist die Zahl der Stadtbahnunfälle stetig leicht gestiegen. Für 2018 gibt die Polizei noch keine absolute Zahl raus. Sie liege „ein paar wenige Fälle über dem Vorjahr, aber nicht nennenswert höher“, sagt ein Polizeisprecher. 2017 waren es 112 gewesen, im Jahr davor noch 108. Die Zahl lag mit 97 im Jahr 2015 noch unter 100. 2014 waren es 92 Unfälle, 2013 ereigneten sich 79. Laut den SSB sei die Zahl der Unfälle im Verhältnis zu den gefahrenen Kilometern „ungefähr gleich“ geblieben, sagt Technikvorstand Thomas Moser.