Das Klinikum Stuttgart ist Baden-Württembergs größtes Krankenhaus. Foto: Lichtgut/Oliver Willikonsky - Lichtgut/Oliver Willikonsky

Razzia in Zusammenhang mit dem Geschäftsgebaren der International Unit am Stuttgarter Klinikum, gegen 20 Personen wird ermittelt.

StuttgartDie Durchsuchung von 24 Wohnungen und Geschäftsräumen in fünf Bundesländern in Zusammenhang mit dem Geschäftsgebaren der International Unit (IU) markieren einen neuen Höhepunkt im Stuttgarter Klinikum-Skandal. Ermittelt wird gegen 20 Personen aus ganz Deutschland. Der Verdacht lautet auf Betrug, Bestechung und Untreue. Von 18 der Beschuldigten wurden Handys und Unterlagen beschlagnahmt. Bei zwei weiteren Verdächtigen hatten zuvor Durchsuchungen stattgefunden. Es geht um Geschäfte, die die inzwischen aufgelöste International Uni in den Jahren 2013 und 2014 mit arabischen Staaten angebahnt hatte. Einige Zeit verdiente das hochdefizitäre Klinikum damit gutes Geld. So lag der Deckungsbeitrag der IU 2013 bei 10,6 Millionen Euro. Im Jahr 2014 lief ein Geschäft mit rund 370 Kriegsversehrten aus Libyen aus dem Ruder; das Klinikum blieb auf Forderungen von 9,4 Millionen Euro sitzen.

Kündigung rechtens

Im Februar dieses Jahres hat das Stuttgarter Arbeitsgericht die Kündigung des ehemaligen Leiters der IU, Andreas Braun, für rechtens erklärt. Dieser sei aber „nicht der Alleinschuldige“ für das Debakel. Die jetzigen Ermittlungen gehen offenbar darüber hinaus. Geschädigt wurden laut Staatsanwaltschaft das Klinikum und die Rechnungsempfänger für ausländische Patienten, die außer aus Libyen aus Kuwait, Saudi-Arabien, Oman und den Vereinigten Arabischen Emiraten kamen.

Die Fraktionsgemeinschaft SÖS/Linke-plus richtete am Mittwoch scharfe Kritik an die Stadtverwaltung: „Mit den Durchsuchungen wird deutlich, dass die Vergangenheit noch längst nicht bewältigt ist“, ließ Stadtrat Thomas Adler verlauten. „Das intensive und angestrengte Wegschauen der Verwaltungsspitze, die selektive Weitergabe von Informationen an den Krankenhausausschuss hat dazu entscheidend beigetragen, dass sich diese Missstände entwickelt haben, an deren Ende jetzt die Durchsuchungen stehen“, erklärte Adler. Damit stelle sich erneut die Frage nach der politischen Verantwortung. Noch deutlicher wurde der SPD-Fraktionschef im Gemeinderat, Martin Körner. Er forderte die Stuttgarter Grünen auf, sich zu ihrer politischen Verantwortung für die skandalösen Vorgänge zu bekennen und zur Aufklärung beizutragen: „Immerhin war der Leiter der Internationalen Abteilung langjähriger Grünen-Vorsitzender.“

Konkret forderte er Sozialbürgermeister Werner Wölfle (Grüne) zum Rücktritt auf. Wölfle war bis 2016 als Bürgermeister für die Krankenhäuser zuständig. „Er hätte aus dem Skandal längst Konsequenzen ziehen müssen“, sagte Körner. Den Schaden bezifferte der SPD-Fraktionschef auf 20 Millionen Euro. Die Staatsanwaltschaft machte dazu gestern keine Angaben.

Klinikum Stuttgart

Das Krankenhaus

Das Klinikum Stuttgart ist das größte Krankenhaus im Land mit 7000 Beschäftigten. Pro Jahr werden 90 000 Patienten stationär behandelt und 500 000 Menschen ambulant versorgt. Das aus Katharinenhospital, Krankenhaus Bad Cannstatt und Olgahospital bestehende Klinikum verfügt über 2200 Betten.

Das internationale Geschäft

Die International Unit wurde 2005 eingerichtet. Sie diente dazu, dass lukrative Geschäft mit der Behandlung von ausländischen Patienten in einer Einheit zusammenzufassen .

Unsaubere Geschäfte

Mit dem Gesundheitsministerium von Kuwait hatte die International Unit im Februar 2014 laut Stadt Stuttgart eine Vereinbarung geschlossen. Ziel war es unter anderem, das Al-Razi-Krankenhaus bei der Entwicklung seines Managements zu unterstützen. Sowohl bei der Anbahnung des vereinbarten Austauschs wie auch bei der Durchführung stellte das Rechnungsprüfungsamt Unstimmigkeiten fest. Bereits im Juni 2013 hatte die Auslandsabteilung einen Vertrag mit der libyschen Übergangsregierung zur Behandlung von libyschen Kriegsversehrten unter anderem im Klinikum Stuttgart geschlossen. Das Klinikum erbrachte medizinische Leistungen für rund 370 Patienten. In einem Fall ist laut Staatsanwaltschaft eine Botschaft geschädigt, die für ihre Landsleute in Vorkasse gegangen war. Die International Unit wurde 2016 aufgelöst und in die Klinikumsstrukturen überführt.