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Die Vertreter von SÖS und der Linken in Stuttgart bescheinigen sich eine gute Zusammenarbeit in der Fraktionsgemeinschaft im Rathaus. Zur Kommunalwahl im Mai wollen sie dennoch getrennte Listen.

StuttgartDie Riege von SÖS/Linke-plus will so etwas wie der Stachel im Fleisch der etablierten Gemeinderatsfraktionen und das ökologische und soziale Gewissen der Stadt sein. Doch die acht Stadträte aus vier unterschiedlichen Gruppierungen ticken nicht immer gleich und stimmen auch nicht immer gleich ab. Während sich die SÖS als basisorientierte Bewegung versteht, die gerne Grundsatzfragen diskutiert und stark vom langjährigen Stadtrat Hannes Rockenbauch geprägt ist, bemüht sich die Linke um Thomas Adler auch um pragmatische Ansätze. Hinzu kommen mit dem Piraten Stefan Urbat und dem Ex-Spitzenkandidaten der Studentischen Liste, Christian Walter, zwei Stadträte, die zwar für das Plus im Namen stehen, aber zumindest nach außen wenig zur politischen Profilierung beigetragen haben.

Dass SÖS und Linke nach der Kommunalwahl wieder ein Bündnis eingehen, ist dennoch wahrscheinlich. Bei der Wahl im Mai 2019 wollen sie aber getrennt antreten, obwohl Adler einer gemeinsamen Liste nach dem Muster der linken Sammlungsbewegung um Sahra Wagenknecht nicht abgeneigt gewesen wäre.

„Die Zusammenarbeit in der Fraktionsgemeinschaft läuft reibungsloser als erwartet“, konstatiert Adler. Sein Co-Fraktionsvorsitzender Rockenbauch sieht das ähnlich. Es gebe zwar inhaltliche Auseinandersetzungen, aber keine Polarisierung in der Fraktionsgemeinschaft: „Zu 99 Prozent sind wir uns einig.“ Dass die Fraktionsgemeinschaft im Rathaus dennoch ein Außenseiterdasein führt, hat auch mit dem Auftreten ihrer Protagonisten zu tun, für die Politik mehr ist als langwierige Diskussionen in den Gremien. Aktuell ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen Hausfriedensbruchs gegen Adler, Rockenbauch und SÖS-Stadtrat Luigi Pantisano, weil sie sich im Zuge der Hausbesetzung in Heslach unter die Besetzer gemischt und ein Video gedreht hatten.

Provokationen überdecken Erfolge

Für Rockenbauch und die SÖS gehören solche Aktionen zu ihrem politischen Selbstverständnis als basisorientierte Bewegung – auf die anderen Ratsfraktionen wirken sie eher abschreckend. Kein Wunder also, dass SÖS/Linke-plus bei grundsätzlichen Entscheidungen im Rat häufig außen vor sind. „Wir werden oft als Parias betrachtet“, räumt Adler ein. Anträge aus der linken Ecke im Rathaus würden häufig von der Mehrheit niedergestimmt, tauchten dann aber in abgeschwächter Form als Initiative anderer Fraktionen wieder auf. Als Beispiel führt Adler den Stopp von Mieterhöhungen bei der städtischen Wohnungsbaugesellschaft SWSG an, der – neu formuliert und von der SPD eingebracht – beschlossen worden sei. Speziell das Verhältnis zur SPD-Fraktion sei nicht besonders gut. Adler: „Bei denen ist viel Effekthascherei im Spiel.“

Für Effekte haben aber auch Leute aus der Fraktionsgemeinschaft ein Faible. Sei es, dass Rockenbauch die Landesbank Baden-Württemberg pauschal als „kriminelle Vereinigung“ tituliert oder sein Kollege Pantisano auf Facebook darüber schwadroniert, die AfD würde wohl „Züge“ für Andersdenkende bereitstellen, wenn sie je an die Macht käme. Die gezielten Provokationen bleiben hängen – und lassen manchmal vergessen, dass die Riege durchaus immer wieder Themen auf die politische Agenda setzt, die – oft Jahre später – im Gemeinderat aufgegriffen werden. „Eine Wohnraumoffensive wie kürzlich beschlossen haben wir schon vor Jahren gefordert“, sagt Rockenbauch. Auch die Initialzündung zur Gründung der Stadtwerke schreibt er dem hartnäckigen politischen Wirken von SÖS/Linke-plus zu, ebenso den billigeren Nahverkehr, den Einstieg in die kommunale Energiewende oder das Konzept für eine autofreie Innenstadt, das SÖS/Linke-plus mit ihrer Initiative „Stuttgart laufd nai“ angestoßen hat. Auch wenn Rockenbauch und Adler alles zu langsam geht: „Auf lange Sicht wirkt unsere Politik“, meinen beide unisono.

An der SÖS-Basis, die aus rund 40 Aktiven besteht, sind dennoch nicht alle glücklich mit ihrer Repräsentanz im Rathaus. Als „politisches Gulasch“ charakterisiert einer der Enttäuschten deren Konzepte. Andere, wie etwa der Obertürkheimer Bezirksbeirat Christoph Hofrichter, haben sich im Streit um die Haltung der SÖS zum Standort für eine Interimsoper von dem Bündnis abgewandt und tendieren nun zur Linken.

Läuft sich da einer bereits für eine OB-Kandidatur 2020 warm? Rockenbauch schließt eine weitere Bewerbung nicht aus, will sich aber erst nach der Kommunalwahl entscheiden. An Selbstbewusstsein jedenfalls mangelt es ihm nicht: „Ein OB Rockenbauch wäre das Beste, was der Landeshauptstadt passieren kann“, sagt er, wenn auch mit einer Prise Selbstironie.

Zu den Personen

Hannes Rockenbauch, Stuttgart Ökologisch Sozial (SÖS): Der 38 Jahre alte Ingenieur für Architektur und Städtebau ist im Engagement gegen Stuttgart 21 und 2012 als OB-Kandidat in Stuttgart einer breiteren Öffentlichkeit bekannt geworden.

Thomas Adler, Die Linke: Trotz der Zeit als Betriebsrat bei Daimler ist sein Standpunkt, dass Stuttgart keine Stadtautobahnen braucht, sondern günstigen ÖPNV, bezahlbare Wohnungen und gute Einkaufsmöglichkeiten.