Foto: Grafiken: ylivdesign/Yuriy /Adob - Grafiken: ylivdesign/Yuriy /Adobe Stock, dpa/Jonas Schöll

Die Landeshauptstadt soll Smartcity werden. Experte Steffen Braun ermuntert die Stadt dazu, mehr Echtzeitdaten zu nutzen. Nur so könne man Straßen richtig planen.

StuttgartWenn es darum geht, mit großen Worten die digitale Zukunft anzukündigen, ist Stuttgart vorne dabei. Es werden Kampagnen wie „Stuttgart gestaltet Zukunft“ ausgerufen und „Strategieprozesse für ein digitales Stuttgart“ erarbeitet. Eine Digitaloffensive soll die Stadt zur Smartcity machen. Doch wo steht die Landeshauptstadt momentan, und kann sie mit anderen Kommunen mithalten?

Das Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation begleitet Stuttgart auf dem Weg zur digitalen Stadt. Steffen Braun leitet dort den Forschungsbereich Stadtsystem-Gestaltung. Er kennt die Schwächen der Landeshauptstadt. Der Wissenschaftler sagt im Gespräch mit unserer Redaktion, dass die Verwaltung in einigen Bereichen schon auf einem guten Weg sei. Doch es gebe auch Nachholbedarf. Stuttgart müsse unter anderem deutlich mehr Echtzeitdaten nutzen. „Viele Städte im Ausland machen das bereits“, sagt Braun.

Außerdem müssten vorhandene Angebote wie Apps und Internetseiten besser vernetzt werden. „Die Stadt hat ein bisschen Angst davor, die Verwaltung zu öffnen“, sagt der Forscher. Aber das sei der einzige richtige Schritt für eine smarte Stadt mit smarten Bürgern. Seiner Meinung nach müssten längst Sensoren übermitteln, ob Mülleimer überlaufen, welche Wege die Pendler zur Arbeit nehmen und wie hoch die Temperaturen in den Stadtvierteln sind. Es gebe zwar schon einige Pilotprojekte, doch zu oft verlasse sich die Stadt noch auf klassische Datenerhebungen wie Verkehrszählungen. „Wenn Hunderte Elterntaxis die Straßen verstopfen, dann müssen die Bürger mitmachen, um neue Wege intelligenter Mobilität zu finden.“

Nur mit der Masse an Daten könne man Straßen richtig planen. Auch bei der Klimadiagnose bleibt die Stadt bisher konservativ. Gerade einmal vier Wetterstationen liefern die Temperatur. Auch hier sieht Braun die Bürger als Helfer, um etwa mit Temperatursensoren auf Balkonen ein genaueres Bild zu liefern – damit die Stadt auf immer heißere Sommer reagieren kann.

Amsterdam etwa verteile Sensorikbaukästen an die Bürger. Schließlich hänge das Klima auch vom Stadtgebiet ab. „Der Westen in Stuttgart heizt sich stärker auf als der Bereich rund um den Schlossplatz“, sagt Braun. Mit den Bürgerdaten könne die Verwaltung besser verstehen, wie man Flächen mit Blick auf die Temperaturen richtig plant und nutzt.

Die Stadt nimmt das Thema Digitalisierung aber offenbar sehr ernst. Fast 100 Stellen sollen neu geschaffen und 21 Millionen Euro für den Weg zur Smartcity ausgegeben werden, damit Stuttgart nicht den Anschluss verliert. Doch nicht allein der gute Wille steckt dahinter. Stuttgart steht wie viele anderen Kommunen unter einem großem Druck. Bis zum Jahr 2022 müssen Landesbehörden und Kommunen unter anderem bis zu 575 Verwaltungsleistungen ins Internet verlagern – und die Landeshauptstadt kommt dabei nur langsam voran.

„Die Stadt Stuttgart ist bestrebt, dieses Ziel gemeinsam mit dem Land zu erreichen“, sagt Sven Matis, Sprecher der Stadt. Vieles hänge davon ab, wie der Gemeinderat entscheidet. „Ob Bund, Länder und Kommunen diesen ehrgeizigen Zeitplan einhalten können, ist derzeit schwierig zu beurteilen“, sagt Matis. Man wolle sich zunächst auf Angebote konzentrieren, die am meisten nachgefragt werden.