Zieht Scientology gegenüber dem Milaneo ein? Derzeit lässt die Organisation in der Heilbronner Straße ein Gebäude renovieren. Foto: dpa Quelle: Unbekannt

Von Sebastian Steegmüller

Stuttgart - In den vergangenen Jahren hat man in der Landeshauptstadt von Scientology wenig gehört. Jetzt verstärkt die umstrittene Organisation nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes ihre Aktivitäten. In der Heilbronner Straße hat sie vor Jahren offenbar für acht Millionen Euro ein Gebäude erworben. Derzeit wird es renoviert. Was nach Abschluss der Arbeiten dort geplant ist, ist unklar. Die Grünen im Gemeinderat sind dennoch in Sorge.

In einer Anfrage an die Stadtverwaltung will der Fraktionsvorsitzende Andreas Winter wissen, welche Nutzung in dem Gebäude überhaupt zulässig sind. Zugleich weist er auf die Gefahren hin, die von der Organisation ausgehen würden. „Scientology wird seit 1997 vom Landesamt für Verfassungsschutz wegen politisch relevanter Bestrebungen gegen die Verfassung beobachtet.“ Um die als Ziel proklamierte „Brücke zur völligen Freiheit“ zu überqueren, müsse man hohe Kursgebühren bezahlen. Mitglieder würden oftmals in die Verschuldung geraten. „Von Menschen, die den Lehren der Organisation widersprechen, haben sich die Scientology-Mitglieder zu trennen, so dass der Kontaktabbruch zu deren Familien und deren Freunden droht.“

Mit seiner Einschätzung ist Winter nicht alleine. Staatliche Behörden ordnen die Scientology-Organisation, die sich selbst als Kirche bezeichnet, aufgrund ihrer besonderen weltanschaulichen Ausrichtung und ihrer Methoden, die stark in die Rechte Betroffener eingreifen können, als äußerst kritisch ein. „Durch die starke Vereinnahmung der Mitglieder, vor allem auch finanzieller Art, können diese in problematische Abhängigkeiten von der Scientology-Struktur geraten, oft mit weitreichenden Folgen“, sagt Christine Sattler, Sprecherin des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport. Des Weiteren sei der Umgang mit Aussteigern anzuführen, gegen welche Scientology massiv vorgeht. Dementsprechend rät Sattler von der Gruppierung ab. „Das Kultusministerium und die Landesministerien thematisieren grundsätzlich alle fragwürdigen psychomanipulativen Praktiken, leisten aktiv Präventionsarbeit und unterstützen Menschen, die durch derartige Praktiken Schaden genommen haben.“

Nach Angaben des Verfassungsschutzes hatte Scientology Ende der 1990er-Jahre im Südwesten rund 1200 Anhänger, bis Mitte 2016 sei die Zahl auf 900 gesunken. Gleichzeitig drohe der Einrichtung Überalterung. 60 Prozent der Mitglieder im Land sind über 50 Jahre alt, nur 15 Prozent unter 30. Soll mit einer neuen repräsentative Niederlassung in unmittelbarer Nähe des Milaneo dieser Trend gestoppt werden? „Der Raum Stuttgart bildet seit vielen Jahren einen Betätigungsschwerpunkt der Scientology-Organisation“, so Sattler. Die Sanierung des Gebäudes in der Heilbronner Straße lasse darauf schließen, dass die Etablierung einer „Ideal Org“, also eines neuen, repräsentativen Zentrums in Stuttgart wieder intensiver betrieben werde.

„Die Scientologen in Baden-Württemberg bemühen sich schon seit über zehn Jahren um einem entsprechenden Standort“, fügt Helga Lerchenmüller hinzu. Sie ist stellvertretende Vorsitzende des Verbraucherschutzvereins „Aktion Bildungsinformation“ (ABI), der sich bereits seit den 1970er-Jahren mit der Organisation auseinandersetzt. Trotz des Mitgliederschwundes seien die Anhänger nach Schätzungen des Verfassungsschutzes in der Lage, im Jahr etwa eine Million Euro für Scientology aufzubringen. „Weltweit verfügt die Scientology Organisation heute über ein enormes Vermögen und ist dadurch in der Lage Einfluss auszuüben“, sagt Lerchenmüller.

„Wir warnen nach wie vor vor Scientology.“ Deren angebotenen Kurse seien einerseits sehr teuer und würden andererseits eine schleichende, meist vom Mitglied selbst nicht wahrgenommene Persönlichkeitsveränderung bewirken. „Statt, wie versprochen, zu Freiheit, höherer Intelligenz, mehr Erfolg und besserer Gesundheit führen die Kurse oft zur Herabsetzung der Kritikfähigkeit und zu Abhängigkeit.“

Lerchenmüller erinnert daran, dass Lafayette Ronald Hubbard, der Gründer von Scientology, vor Jahren von einem US-amerikanischen Richter in einem Memorandum als pathologischer Lügner sowie als macht- und habgieriger Mensch beschrieben wurde. Er bezeichne die Scientology Organisation zudem als dessen Spiegelbild. „Kritiker gelten als Verbrecher. In einer scientologisch ausgerichteten Gesellschaft sollen nur ausgebildete Scientologen die vollen Bürgerrechte besitzen, daher wäre sie mit unserer Verfassung nicht vereinbar.“