Der Andrang ist groß bei den Konzerten der Jazz Open. Die Besucher können aber ihre Eintrittskarte nicht als VVS-Fahrschein nutzen. Quelle: Unbekannt

Bei Veranstaltungen gelten zweierlei Maßstäbe: Das Land vermietet seine Flächen in Stuttgart an Veranstalter, ohne auf ein Kombiticket zu pochen. Die Stadt Stuttgart praktiziert dies dagegen schon seit zehn Jahren.

StuttgartSting will das Klima schützen. Das hat der britische Sänger schriftlich bekräftigt. Gemeinsam mit Björk, Iggy Pop, Radiohead, Coldplay, Chrissie Hynde, David Gilmour und Hunderten anderen fordert er „einen ambitionierten Klimavertrag, der die Erderwärmung auf zwei Grad Celsius begrenzt“. Schwarz auf weiß versprachen sie alle zudem, bei ihrer eigenen Arbeit auf den Umwelt- und Klimaschutz zu achten und ihre Zuhörer und Kunden anzuregen, dies ebenfalls zu machen. Da kann Sting am 11. Juli 2019 bei seinem Konzert in Stuttgart auf dem Schlossplatz gleich mal anfangen. Denn anders als bei vielen Konzerten etwa in der Porsche-Arena, der Schleyerhalle, im Stadion oder im Theaterhaus gilt für seinen Auftritt im Rahmen der Jazz Open das Kombiticket nicht. Wer Bus und Bahn fährt, muss die Fahrkarte extra kaufen.

Land hält sich zurück

Warum das so ist? Vom Land erhält man folgende Auskunft: „Die Entscheidung darüber, ob für eine Veranstaltung auf dem Schlossplatz ein Kombiticket angeboten wird, liegt nicht beim Land. Der für Veranstaltungen auf dem Schlossplatz zuständige Landesbetrieb Vermögen und Bau Baden-Württemberg weist Veranstalter jedoch regelmäßig auf die Möglichkeiten hin und bittet darum, diese in Betracht zu ziehen.“ Das klingt nicht sonderlich energisch. Auf Nachfrage heißt es, man prüfe eine solche Regelung.

Zumindest bei den Jazz Open hat die Bitte bislang nicht gefruchtet. Der Veranstalter Opus bietet kein Kombiticket an. Geschäftsführer Jürgen Schlensog hat zuletzt im September mit dem Verkehrsverbund Stuttgart (VVS) verhandelt. „Wir sollten 1,15 Euro Fahrtkostenanteil je verkauftem Ticket zahlen“, sagt er, „das würde uns 60 000 Euro kosten und ist für uns nicht leistbar.“

Zudem würden überhaupt nur 40 Prozent der 50 000 Besucher aus der Region kommen, der Rest reise mit dem ICE, dem Flugzeug und dem Auto an. Schlensog sagt deshalb: „Theoretisch könnten wir den Betrag draufschlagen, aber dann würden 60 Prozent der Besucher für eine Leistung zahlen, die sie nicht nutzen.“ Würde man seitens des VVS zu einem anderen Schlüssel kommen, könnte man sicher für künftige Veranstaltungen über ein Kombiticket nachdenken.

Das Kombiticket hat eine lange Geschichte. Erstmals galt die Eintrittskarte als Fahrschein bei einem SDR-3-Festival in der Schleyerhalle. 1985 zog der VfB nach. Mit beachtlichem Erfolg: 11,5 Millionen Fußballfans fuhren mit dem Kombiticket ins Stadion. Bei den Konzerten dauerte es länger. Da regierte der Wildwuchs. Manche Veranstalter boten das Kombiticket an, andere nicht. 2008 schließlich nahm die städtische Tochter in.Stuttgart in ihre Verträge eine Klausel auf: Wenn Eintrittskarten in den Verkauf kommen, müssen Veranstalter für Veranstaltungen im Neckarpark ein Kombiticket anbieten. 2017 wurden sieben Millionen Kombitickets verkauft, der Umsatz hat sich seit 2006 auf 7,5 Millionen Euro verdoppelt.

Die Höhe des sogenannten Fahrtkostenanteils verhandeln die Veranstalter mit dem VVS. Der ist laut dessen Auskunft „von verschiedenen Faktoren abhängig“. Etwa von dem Einzugsgebiet der Besucher, also wie lang die Anreise der Gäste ist. Von der Besucherstruktur: „Sind es beispielsweise eher Senioren oder Schüler, die oftmals schon ein VVS-Zeit-Ticket besitzen?“ Und von dem ÖPNV-Anteil: „Gibt es viele Besucher, aber wenig Parkplätze? Gibt es eine gute VVS-Anbindung?“

Je nachdem wird also der Anteil errechnet. Momentan beträgt er für Veranstaltungen im Hallenduo 1,87 Euro je Ticket. Die Verträge zwischen dem VVS und den Veranstaltern laufen zumeist drei Jahre. So sehr alle Seiten auch den Sinn des Kombitickets betonen – da wird dann auch hart verhandelt. Paul Woog von SKS Russ und Christian Doll von C2-Concerts finden etwa beide, dass der Beitrag für die Konzerte auf der Freilichtbühne zu hoch sei. Dort fordert in.Stuttgart seit 2010 das Kombiticket.

Etabliert, aber teuer

Doch anders als im Neckarpark fährt auf den Killesberg keine Sonderlinie, „aus Sicht unserer Gäste muss man auch die Leistungen sehen, die angeboten werden“, sagt Doll. Woog ergänzt: „Das Kombiticket ist etabliert, von den Kunden angenommen und oft auch gewünscht. Aber es verteuert den Preis.“ Darüber haben sie auch beim Veranstaltungsbetrieb der Wagenhallen nachgedacht. Und sich trotzdem dafür entschieden, für ihre eigenen Veranstaltungen ein Kombiticket anzubieten. Wagenhallen-Club-Ticket nennt sich das, kostet sieben statt fünf Euro.

Auch Christian Doll und C2-Concerts weiten ihre Offerte aus. Für die „Weihnachtsgeschichte“ biete man „erstmals in der Sparda-Welt“ ein Kombiticket an. Genauso wird man es beim neuen Kessel-Festival im Reitstadion halten. Alles andere wäre auch überraschend bei einem Festival, das sich nachhaltig nennt. Doll: „Wir erwarten Besucher aus der ganzen Region. Das geht nicht ohne Kombiticket.“ Das würde Sting sicher unterschreiben. Er sollte mal bei den Jazz Open und beim Land fragen, warum man bei seinem Konzert extra für Bus und Bahn zahlen muss.