Eine Mitarbeiterin des Inselbades beaufsichtigt das Springerbecken. Das Foto entstand im Jahr 2018. Foto: dpa - dpa

Ein Polizeieinsatz am Wochenende im Stuttgarter Inselbad ist kein Einzelfall. Schlägereien und Übergriffe gegen das Personal nehmen zu. Diese Entwicklung hat nun Konsequenzen.

StuttgartEin Fußball ist es, der die Ereignisse am Samstag im Untertürkheimer Inselbad ins Rollen brachte: Drei Jugendliche, 15, 16 und 17 Jahre alt, kicken auf der Liegewiese. Ein Mitarbeiter des Bades weist sie zurecht. Sie sollen das lassen. Im vollen Bad sollen Gäste keinen Ball an den Kopf bekommen. „Sie haben sich nicht daran gehalten, dann ist die Situation eskaliert“, sagt Jens Böhm, Sprecher der Stuttgarter Bäderbetriebe.

Das Personal verweist die Jugendlichen des Bades. Die befolgen das nicht, sondern gehen auf das Freibadpersonal los. Immer mehr Menschen kommen hinzu. Ein paar solidarisieren sich, einige umringen die Gruppe nur, die Traube zählt an die 50 Personen. Die Polizei kommt hinzu. „Einer der Jugendlichen hat versucht, einen Polizisten anzuspringen. Einer unserer Mitarbeiter konnte das verhindern“, schildert Böhm. Mit mehreren Streifenwagenbesatzungen, die am Ende gar zum Pfefferspray greifen, können die Polizisten schließlich die Situation regeln.

Negativrekord bei Tätlichkeiten

Die Szene erschüttert – die Verantwortlichen, aber auch die Badegäste. „Es ist eine Entwicklung, die wir seit ein paar Jahren beobachten“, sagt Böhm. Und lässt die Zahlen sprechen: Bereits 48 Haus- und Badeverbote haben die Stuttgarter Bäderbetriebe in diesem noch jungen Sommer verhängt. „Wir steuern da auf einen Negativrekord zu“, sagt er. Vor allem was „schwerwiegende Tätlichkeiten“ unter Badegästen, also Schlägereien, aber auch Übergriffe auf das Personal angehe, sehe es düster aus. „Das waren in diesem Jahr schon drei“, sagt Böhm. Im vergangenen Jahr sei es nur eine solche Tat gewesen, 2017 zwei, 2016 drei und im Jahr 2015 eine.

Nun erwäge man im Bäderamt Konsequenzen. Eine davon war am Samstag in Untertürkheim schon zu sehen: In die Tumulte griffen auch Mitarbeiter einer privaten Sicherheitsfirma ein, die am Samstag zum ersten Mal in dieser Saison wieder auf einer Freibadwiese patrouillierten. „Wir wollen den Sicherheitsdienst nun dauerhaft einführen, für alle Freibäder“, sagt Böhm. In Untertürkheim habe man begonnen, weil es dort Anfang Juni zum bislang schwersten Zwischenfall gekommen war: Ein Mann saß am Beckenrand und rauchte. Ein Schwimmmeister wollte ihn wegschicken. Der Mann ging zum Sportbecken und rauchte dort weiter. Es kam zum Streit und zur Schlägerei, in deren Verlauf der aggressive Badegast den Mitarbeiter in die Nase biss. Die Polizei ermittelte gegen den Gast und den Mitarbeiter. Danach entschied man, wieder Sicherheitsleute hinzuzuholen. Trotzdem kam es am Samstag zu dem Tumult, trotzdem wurden im Inselbad zwei 13- und 15 Jahre alte Jugendliche und im Freibad Killesberg eine 14-Jährige sexuell belästigt.

Im Inselbad soll das Sicherheitspersonal vorerst nur auf der Liegewiese patrouillieren. Kontrollen seien aber in Brennpunktbädern auch schon am Eingang wichtig, sagt der Chef des Landesverbands der Schwimmmeister. Edgar Koslowski meint, dass Eintrittskontrollen die Sicherheit erhöhen könnten, wenn Betrunkene oder Menschen, die schon mehrfach Badeverweise erhalten haben, direkt abgewiesen werden. „Wenn das ganze Konfliktpotenzial erst einmal im Schwimmbad ist, hat man schon verloren“, sagt Koslowski, der als Betriebsleiter im Freibad von Ettenheim bei Rust schon seit 40 Jahren als Bademeister arbeitet.

„Zunehmende Rücksichtslosigkeit“

In dieser Zeit habe sich die Grundstimmung in den Freibädern stark verändert. „Ich beobachte einen Wertverfall und eine Rücksichtslosigkeit, die es früher nicht gab.“ Vor 20 Jahren sei der Bademeister noch eine Respektsperson gewesen. Das sei nicht mehr der Fall. „Für ein bestimmtes Klientel gibt es keine Gesetze mehr“, sagt Koslowski.

Die Folgen sind nicht nur für die Badegäste unschön. Vorfälle wie jüngst in Stuttgart führten auch dazu, dass der Beruf, in dem ohnehin Personalmangel herrscht, noch unattraktiver werde. Hinzu kommt der enorme hohe Andrang in vielen Bädern. Das will man in Stuttgart nun angehen: „Vielleicht müssen wir an einem bestimmten Punkt Stopp sagen“, meint Jens Böhm. Der Rekord von Stuttgart-Vaihingen an diesem Wochenende mit 14 682 Gästen sei „Wahnsinn“. Und mit der beobachteten steigenden Aggressivität in den Bädern könne man bei solchen Menschenmengen die Sicherheit nicht garantieren. Bislang stehe es im Ermessen der Schwimmbadleitung, ob sie den Einlass schließe. „Wir überlegen, das einheitlich zu regeln“, sagt Böhm.

Die Enge und die Hitze sind auch mögliche Erklärungsansätze für die Eskalation in Untertürkheim. Eine Besucherin schildert gegenüber unserer Zeitung, was aus ihrer Sicht Teil des Problems war: Wegen des 44. Internationalen Schwimmfestes seien das 50-Meter-Becken, später auch das Sprungbecken gesperrt gewesen. Der Bädersprecher verteidigt das: „Es ist das einzige Schwimmfest in Stuttgart. Das können wir nicht streichen. Außerdem ist es lange vorher angekündigt, ohne dass wir ahnen können, dass es so heiß wird“, sagt Böhm.

Stuttgart ist nicht allein gewesen an diesem heißen Wochenende mit Problemen im Freibad. Auch in Düsseldorf kam es zu Tumulten auf der Liegewiese, weil junge Männer quer über die Handtücher anderer Gäste stapften. Bis zu 100 Menschen sollen sich dort zusammengerottet haben. In Kehl wurde dieser Tage ein Freibad wegen Tumulten geräumt. Eingangskontrollen, wie Schwimmmeister Koslowski sie fordert, gibt es dort indes schon. Nach Angaben des Freibads Kehl kontrolliert ein Sicherheitsdienst an heißen Tagen beim Eintritt Taschen auf Alkohol, Drogen und Waffen. Was man bisher von Großveranstaltungen kannte, gehört nun auch in manchen Freibädern mit dazu.

Nach Auseinandersetzungen in den beiden oftmals überfüllten Freibädern in Kehl fordert die Stadt französische Unterstützung für den deutschen Polizeiposten im Ort. „Wir können nicht unsere grenzüberschreitenden Projekte feiern, Probleme, die in unserem gemeinsamen Lebensraum entstehen, aber ignorieren“, sagte Rathauschef Toni Vetrano (CDU).

Ein Treffen mit Vertretern der französischen Polizeibehörde sei für den 10. Juli geplant. Auch an den baden-württembergischen Innenminister Thomas Strobl (CDU) habe sich die Stadt Kehl gewandt und hoffe nun auf Unterstützung.

Jüngst mussten die Bäder geschlossen werden. Für Ärger sorgte etwa, dass Badekleidung und -regeln von Besuchern nicht eingehalten werden. Die meisten Gäste der Bäder kommen aus Frankreich.