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Briefmarken werden teurer. Eine Postkarte zu verschicken, kostet dann 15 Cent mehr als bisher. Aber: Juckt das in Zeiten von Whatsapp und Co. überhaupt jemanden? Ja und nein.

StuttgartZum 1. Juli wird das Porto erhöht. Briefe zu verschicken, wird zehn Cent teurer. Bei der Postkarte werden für die Briefmarke gleich 15 Cent mehr fällig. 60 Cent muss man künftig berappen. „Die Preismaßnahme ist notwendig, um auch zukünftig mit hoher Qualität flächendeckend eine postalische Versorgung in Deutschland sicherzustellen“, lautet die offizielle Sprachregelung. Dabei steckt die Postkarte sowieso in der Krise. Sonnengrüße aus Italien, Spanien und Co.? Passé. Statt Schönschrift gibt’s immer häufiger den kurzen Klick. „Es ist von Jahr zu Jahr einfacher und günstiger geworden, Fotos und Nachrichten mit dem Mobiltelefon zu verschicken, zuletzt mit der weiten Verbreitung von Messenger-Apps“, sagt Hugo Gimber, ein Stuttgarter Sprecher der Deutsche Post DHL Group.

Laut einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts INSA-Consulere von 2018 ist Whatsapp längst der gängigste Weg, um Familie und Freunde teilhaben zu lassen. 51,4 Prozent der Deutschen verschickten demnach Urlaubsbotschaften virtuell. Nur noch 48,5 Prozent gaben an, noch einen Briefkasten aufzusuchen. Hugo Gimbers Zahlen untermauern den Wandel. Sind im Jahr 2014 noch etwa 210 Millionen Postkarten deutschlandweit transportiert worden, waren es 2018 nur noch etwa 154 Millionen. Wie viele davon im hiesigen Briefzentrum Waiblingen ankommen, gibt Gimber aus Wettbewerbsgründen nicht preis.

Es geht also abwärts mit der Postkarte, und das nach nicht mal 150 Jahren. Mitte 1870 erst begann offiziell die Ära der „Correspondenzkarte“ als günstige Mitteilungsform für die Bürger. Heute jedoch ist sie vielen zu umständlich. „Auch im Alltag geht die Bedeutung der Postkarte immer mehr zurück. Wurden noch vor wenigen Jahren Zählerstände von Gas-, Strom- und Wasserzählern vom Verbraucher per Postkarte an den Versorger übermittelt, geschieht dies heute größtenteils online“, sagt Hugo Gimber. Auch Lösungswörter für Preisausschreiben würden nur noch selten handschriftlich übermittelt.

Während im Urlaub die Ansichtskarte offenbar zunehmend zum Ladenhüter wird, können hiesige Händler offenbar nicht klagen. Dauerbrenner: die Glückwunschkarte, mit oder ohne Marke drauf. „In den 18 Jahren, die ich das Geschäft habe, ist der Kartenumsatz nicht zurückgegangen“, sagt Regina Hofheinz, die in Sillenbuch einen Schreibwarenladen plus Post-Filiale betreibt. Beileids-, Oster- oder Kunstkarten würden rege gekauft, vornehmlich allerdings von Senioren. „Die klassische Weihnachtspost schreiben schon die Älteren“, sagt sie. Immerhin: Sillenbuch ist der Stadtbezirk mit den meisten Rentnern. Doch auch in der Innenstadt ist Papier nicht out. Ganze 14 Ständer voller Karten stehen am Schlossplatz-Kiosk Roller parat, und neben Souvenirs und Kinderbüchern gingen die am besten weg, sagt die Angestellte Aysun Kayabasi. „Stuttgart-Karten sowieso, aber auch bei normalen Karten fragen die Leute nach Briefmarken und wollen sie verschicken.“

Es gibt eben noch Leute wie Sabine Rieker. Die Stuttgarterin ist nicht nur ein Fan des verschnörkelten Grußes, sie hat ihn sogar zum Beruf gemacht. Ihr erklärtes Ziel: Hände und Herz streicheln. Als professionelle Postkartenschreiberin verfasst sie Nachrichten, „übers Jahr verteilt im Schnitt circa zwei bis vier Karten pro Tag“. Dafür bezahlen die Auftraggeber sie nach Geschmack. „Ich lebe davon – und wie!“, hat Sabine Rieker in einem früheren Interview mit unserer Zeitung erklärt. Kommt jetzt also vielleicht die Retrowelle bei den Jüngeren? Die Kiosk-Verkäuferin und Studentin Aysun Kayabasi jedenfalls ist Feuer und Flamme. Während eines Auslandsaufenthalts in Bologna habe sie jeden Monat eine Karte in die Heimat geschickt. Sie lächelt. „Ich freue mich auch selbst immer, wenn ich eine Karte bekomme.“ So sieht es auch Profi-Schreiberin Sabine Rieker: „Die Freude, selbst eine Postkarte zu erhalten, sollte Grund genug sein, bei einem lieben Mitmenschen ein ähnliches Gefühl auslösen zu wollen. Die Kraft und Magie des Schreibens erfährt nur, wer es selbst ausprobiert.“