Foto: Wilhelma Stuttgart - Wilhelma Stuttgart

Ein stattlicher Hirsch verstärkt das Rudel der seltenen Mesopotamischen Damhirsche und soll bei der bedrohten Art zukünftig für Nachwuchs sorgen.

Stuttgart (red)Dumpfe, brummende Rufe tönen über den Schaubauernhof in der Wilhelma. Getupfte Flanken und ein stattliches Geweih lassen sich zwischen Ästen und Baumstämmen entdecken. Der Neuankömmling bei den Mesopotamischen Damhirschen gibt im sanften Spätsommerlicht ein wahrlich prächtiges Bild ab. Obwohl der junge Hirsch aus dem Tierpark Berlin erst seit wenigen Tagen im Zoologisch-Botanischen Garten in Stuttgart ist, stimmt er sich bereits lautstark auf die Brunftzeit ein. Er soll bei dieser seltenen asiatischen Hirschart zukünftig für Nachwuchs sorgen.

Das charakteristische Röhren trägt dabei einige Kilometer weit und soll potentielle Konkurrenten fernhalten. „Der Hirsch steckt jetzt natürlich erst einmal sein Revier ab und muss zeigen, was er zu bieten hat“, erzählt Tierpflegerin Ramona Schiele. „Er ist jetzt genau zum richtigen Zeitpunkt gekommen, damit er die nächste Saison gleich miterleben kann.“ Denn im Oktober beginnt bei den Damhirschen die Brunftzeit. Dann wird der Hirsch nicht durch seine durchdringende Stimme, sondern auch mit einem stechend scharfen Geruch auffallen. Er produziert ein intensiv duftendes Sekret, das er an Hals, Bauch und Flanken verteilt. Schon jetzt ist zu sehen, wie sich das sonst hellbraune Fell dadurch aschgrau verfärbt. In seinem neuen Territorium setzt der Hirsch zudem zahlreiche Duftmarkierungen, während er den Boden mit Hufen und Geweih bearbeitet. So werden Rivalen abgeschreckt und paarungsbereite Weibchen angelockt. Die vier Hirschkühe der Wilhelma waren allerdings auch ohne diese aufwendigen Maßnahmen gleich von ihrem neuen Gefährten überzeugt: Nach nur einer Nacht haben sich die Tiere sozusagen selbst vergesellschaftet. „Neue Tiere trennen wir zur Eingewöhnung immer erst auf einer Seite des Geheges ab“, erklärt Ramona Schiele. „Der Hirsch kam aber sehr schnell in Wallung, als er seine Weibchen auf der anderen Seite gesehen hat und riss das Schattiergewebe am Zaun herunter. Die Hirschkühe haben dann ein Loch in der Absperrung genutzt, um auf die andere Seite zu kommen.“ Seitdem steht das Rudel etwas früher als geplant gemeinsam auf der Anlage. Trotz seiner vergleichsweise zarten Gestalt scheint der neue Damhirsch also über reichlich Selbstbewusstsein und Anziehungskraft zu verfügen.

Ob seine Werbung am Ende wirklich von Erfolg gekrönt sein wird, zeigt sich allerdings erst im späten Frühjahr des nächsten Jahres. Je nach Dauer der Brunftzeit kommen die Kälber im Mai oder Juni zur Welt. Mit der Zucht leistet die Wilhelma einen wichtigen Beitrag zum Erhalt des Mesopotamischen Damhirsches, dessen ursprüngliches Verbreitungsgebiet in Vorderasien liegt. Denn Mitte des 20. Jahrhunderts galt diese Unterart bereits als ausgerottet. Alle europäischen Nachkommen stammen von drei Tieren ab, die damals aus dem Südiran in den Opel-Zoo bei Frankfurt gelangten. Dank der koordinierten Zucht in den Zoos konnten einige Mesopotamische Damhirsche in ihrer Heimat wieder ausgewildert werden. Heute gibt es im Iran etwa 250 dieser seltenen Hirsche, zudem leben zwei kleine Gruppen in israelischen Reservaten.