An mehr Stellen als bisher bekannt sind die Stickoxid-Werte höher als erlaubt. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko - Lichtgut/Max Kovalenko

In Stuttgart werden die Stickoxid-Grenzwerte laut Umwelthilfe an mehr Stellen als bisher bekannt nicht eingehalten. Auch in kleineren Städten liegen die Werte über dem erlaubten Maß.

Stuttgart In Stuttgart werden die von der EU vorgeschriebenen Stickoxid-Grenzwerte möglicherweise an mehr Stellen als bisher bekannt nicht eingehalten. Auch in kleineren Städten liegen die Werte über dem erlaubten Maß. Das ist das Ergebnis einer Untersuchung der Deutschen Umwelthilfe. Der Verein ergänzt dabei Werte der staatlichen Landesanstalt für Umwelt (LUBW) um Messungen, die Freiwillige für die Umwelthilfe durchgeführt haben, sowie um Messwerte, die der SWR gemeinsam mit Bürgern erhoben hat.

Insgesamt zählt die Umwelthilfe in Baden-Württemberg 48 Messstellen, an denen mehr als die von der Europäischen Union erlaubten 40 Mikrogramm Stickoxid in der Luft sind. Neben den 24 bekannten Geräte der LUBW, an denen 2017 die Grenzwerte überschritten wurden, treten allein in Stuttgart fünf weitere Orte mit zu hohen Konzentrationen: die Neckarstraße (Mitte), der Schwabtunnel (West), die Talstraße (Ost) sowie die Husumer und die Unterländer Straße in Zuffenhausen. Auch an der Schorndorfer Straße in Esslingen ergeben die Messungen zu hohe Werte.

„2017 bin ich drei Monate jeden Morgen und Abend durch den #Schwabtunnel geradelt. Fast immer schmerzte die Luft in der Nase“, schreibt der Stuttgarter Thijs Lucas auf dem Kurznachrichtendienst Twitter. Jedes Mal habe er sich gefragt, „ob die Stadt weiß, wie die Luft hier ist“. Jetzt ist klar: Zumindest im Februar waren dort im Schnitt 54 Mikrogramm Stickoxid in einem Kubikmeter Luft.

Im vergangenen Jahr hatte der SWR mit einer ähnlichen Aktion ermittelt, dass am Alten Postplatz in Waiblingen, an der Hauptstraße in Gerlingen sowie an der Vaihinger Straße in Möhringen zu viel Stickoxid in der Luft ist. Die Umwelthilfe spricht von einer „erschreckend hohen Belastung der Atemluft“.

Der Verein hat vor Gericht Fahrverbote in Städten mit zu hoher Stickoxid-Belastung erstritten und kann daher kaum als unabhängige Stimme gelten. Allerdings hat die Umwelthilfe für ihre Erhebung eine anerkannte Messmethode angewendet, sogenannte Passivsammler. Das sind Plastikröhrchen, die mehrere Wochen an einer Stelle installiert werden und in denen sich Stickoxid ansammelt. Im Labor kann man dann anschließend die Belastung ermitteln.

Das Verfahren wird von der LUBW für sogenannte Spotmessungen angewendet, auch der SWR nutzte es für seine Messaktion. Die so ermittelten Werte lägen nahe an den Jahresmittelwerten, betont der SWR. „Entscheidend ist nicht die Messdauer, sondern der genaue Standort, an dem gemessen wird. Je näher der Autoverkehr, desto schlechter die Luft“, heißt es beim SWR. Allerdings veröffentlicht die LUBW Jahresmittelwerte; der SWR hat im September vergangenen Jahres und die Umwelthilfe im Februar 2018 jeweils nur einige Wochen lang gemessen. Außerdem habe man wegen der großen Zahl freiwilliger Helfer nicht vor Ort kontrollieren können, ob die Geräte korrekt aufgehängt worden seien.

Die Umwelthilfe will ihre Messaktion im Juni schließlich wiederholen. Derzeit sucht sie noch nach Freiwilligen, um an 500 weiteren Stellen bundesweit Passivsammler aufzuhängen. Wie beim Feinstaub ist die Anzahl und Verteilung der Messstellen ein wesentlicher Aspekt; durch die öffentliche Diskussion sei die Zahl der Anfragen gestiegen, berichtet die LUBW-Sprecherin.

Selber messen liegt im Trend. Das Feinstaubradar unserer Zeitung verwendet die Daten von 750 selbst hergestellten Messgeräten aus der Region Stuttgart. Stickoxid lassen nicht nur der SWR oder die Umwelthilfe messen: Unlängst befestigte die Pragschule ein Messgerät an der Fassade des Schülerhauses. Und vor einem Jahr beauftragte die Stadt Messungen in den Räumen der Römerschule in Stuttgart-Süd. Das Ergebnis: Die Grenzwerte wurden eingehalten.