Der Blick aufs Handy während der Fahrt erhöht das Unfallrisiko erheblich. Foto: dpa - dpa

Mehr Unfälle, mehr Tote, mehr Verletzte - das ist zusammengefasst das Ergebnis der Unfallstatistik 2017 der Stuttgarter Polizei. Im Stadtgebiet ereigneten sich 26 824 Verkehrsunfälle.

StuttgartMehr Unfälle, mehr Tote, mehr Verletzte – das ist grob zusammengefasst das Ergebnis der Unfallstatistik 2017 der Stuttgarter Polizei. Im vergangenen Jahr ereigneten sich im Stadtgebiet mit 26 824 Verkehrsunfällen zwar nur geringfügig mehr als im Vorjahr, doch wurde damit ein Höchststand der Gesamtunfallzahlen seit 1979 erreicht. Mit 2565 liegt die Zahl der Verunglückten trotz eines leichten Anstiegs auf dem drittniedrigsten Wert der vergangenen 40 Jahre.

Immer mehr zum Problem wird die Nutzung von Smartphone und Co. Polizeidirektorin Claudia Rohde, seit 2016 Chefin der Stuttgarter Verkehrspolizei, sagte dazu: „Obwohl das Bußgeld für Smartphone-Nutzer um einiges nach oben ging, lassen sich erschreckend viele auch dadurch nicht davon abbringen zu telefonieren oder zu whatsappen.“ Der häufig selbst auferlegte Zwang zur Dauererreichbarkeit sei Gift für die Verkehrssicherheit, so Rohde. „Ausreden wie ,Ich habe nur versucht, jemanden anzurufen, aber er hat nicht abgenommen, also habe ich ja gar nicht telefoniert‘ hören die Kolleginnen und Kollegen häufig“, so Rohde. Bei 55 Kontrollaktionen mit Zielrichtung Handyverstöße, Gurtpflicht und Helmpflicht stellten Beamte 13 761 Verstöße (2016: 11 612) fest, davon 6513 Handyverstöße (2016: 5549). Hinzu kam eine erneut steigende Anzahl von 1149 Rotlichtverstößen (2016: 1077). Vorfahrtmissachtung, Raser, Drogen

Bei den 2024 Unfällen mit Personenschaden (das entspricht einem Plus von 2,0 Prozent), bei denen 2565 Menschen verunglückten (plus 1,1 Prozent), wurden 281 schwer verletzt (minus 4,7 Prozent). Gegenüber acht Toten in 2016 ließen 2017 zehn Menschen im Stuttgarter Straßenverkehr ihr Leben: acht Fußgänger, drei davon Kinder, ein Lkw-Fahrer und ein Pedelecfahrer. Statistisch betrachtet ereignen sich im Stadtgebiet jeden Tag 74 Unfälle, davon 68 mit Sachschaden und sechs Unfälle mit Personenschaden.

Die Hauptunfallursachen sind typisch für die Großstadt: Vor allem das Missachten der Vorfahrt sowie Fehler beim Abbiegen, Wenden oder Rückwärtsfahren liegen mit einem Gesamtanteil von rund 25 Prozent ganz vorne. Danach folgen Fehler im Abstandsverhalten und beim Fahrstreifenwechsel. Zu schnelles Fahren – landesweit Hauptunfallursache bei jedem vierten schweren Verkehrsunfall – spielt in Stuttgart eine untergeordnete Rolle. Dennoch wurden mehr als 14 000 Raser angezeigt, fast 800 Fahrer erwartet deshalb ein Fahrverbot. Über 1200 Fahrer wurden aus dem Verkehr gezogen, die unter Alkoholeinfluss fuhren, zudem wurden 435 folgenlose Drogenfahrten festgestellt. Bei 239 Verkehrsunfällen spielte Alkoholeinfluss eine Rolle, bei 23 Unfällen registrierten die Beamten Drogeneinfluss.

Durch das günstige Wetter im Jahr 2017 waren mehr Menschen mit motorisierten Zweirädern unterwegs, das spiegelt sich mit 470 Unfällen (plus 8,6 Prozent) wider. Nicht angepasste Geschwindigkeit steht bei Zweiradfahrern bei den Unfallursachen an erster Stelle. Die Zahl der Radfahrunfälle lag mit 447 Unfällen auf Vorjahresniveau (minus 1,3 Prozent). Allerdings wurden 384 Radfahrer und damit 36 mehr verletzt. Bei einer deutlichen Zunahme von Pedelecs im Straßenverkehr ist der Anstieg von Unfällen auf 59 (plus 40,4 Prozent) als noch unauffällig zu werten. Trugen bei den unfallbeteiligten Pedelecfahrern 39 Prozent ordnungsgemäß einen Helm, waren es bei den Radfahrern nur 33 Prozent. Bei 260 Unfällen waren Fußgänger beteiligt, wovon 38 Prozent den Unfall selbst verursacht hatten. Nachdem die Zahl der Unfälle mit Kindern seit 2014 um rund 14 Prozent auf zuletzt 94 im Jahr 2016 zurückgegangen war, ist sie nun um fast 13 Prozent auf 106 Unfälle gestiegen. Drei Kinder verunglückten tödlich, 20 Kinder (2016: 26) wurden schwer und 141 leicht verletzt (2016: 121).

Auf dem Schulweg gab es wie im Vorjahr 19 Unfälle. Gerade bei Kindern setzt die Stuttgarter Polizei auf vielfältige Präventionsarbeit. Aber auch für andere Verkehrsteilnehmer werden verschiedenste Verkehrssituationen durchgeführt, zum Beispiel zu den Themen verbotenes Wenden (im Kontext Stadtbahn), Alkohol und Drogen im Straßenverkehr oder Fahrradhelme. „Präventionserfolg ist zwar nicht direkt messbar, trotzdem sind wir sicher, dass die Kolleginnen und Kollegen der Prävention hervorragende Arbeit leisten und dadurch Unfälle verhindert werden“, erklärte Polizeidirektorin Claudia Rohde.

Hintergrund

Handy am Steuer

Paragraf 23

Bis vor Kurzem wurde für die Nutzung von Handys am Steuer ohne Freisprechanlage ein Bußgeld von 60 Euro verhängt. Findige Zeitgenossen nutzten aber eine ungenügende Formulierung in der Straßenverkehrsordnung, um erfolgreich gegen den Bußbescheid zu klagen. Seit Oktober 2017 verhindert dies eine Neufassung des Paragrafen 23.

Strafen

Mit der Neufassung hat sich auch das Bußgeld erhöht: Die Smartphone-Nutzung am Steuer kostet 100 Euro und gibt einen Punkt in Flensburg. Bei schweren Verstößen mit einer Gefährdung drohen 150 Euro Strafe, bei Sachbeschädigung 200 Euro. Dazu kommen in beiden Fällen ein einmonatiges Fahrverbot und zwei Punkte im Fahreignungsregister. „Geldstrafen treffen die Leute kaum“, so Monika Rudolph vom Amtsgericht Stuttgart. „Aber wegen drohender Fahrverbote oder Punkten wird vor Gericht deutlich mehr gestritten.“ (mri)