Ermittler untersuchen der Tatort in Schlaitdorf. Foto: 7aktuell/Simon Adomat - 7aktuell/Simon Adomat

Die zwei Tatverdächtigen sollen zu einer niederländischen Bande gehören, die in Stuttgart und der Region zugeschlagen hat.

StuttgartDie zwei Männer kommen aus einem Vorort von Utrecht. Eine holländische Stadt, die bei Kriminalisten schon lange als Herkunftsort sogenannter Bankomat-Bomber gilt. Zwei mutmaßliche Bandenmitglieder, 27 und 29 Jahre alt, sitzen in U-Haft – ein Ermittlungserfolg, den das Landeskriminalamt (LKA) nun meldet. Das Duo dürfte zu einer Gruppe gehören, die etwa im Herbst 2018 in Weilimdorf einen Bankomat gesprengt hat.

Der Knall am jenem 1. Oktober war zugleich Startschuss für eine Sonderermittlungsgruppe beim LKA. Um 3.20 Uhr waren Anwohner der Kaiserslauterer Straße aus dem Schlaf geschreckt, als in einer Filiale der BW-Bank am Fuße eines Mehrfamilienhauses der Geldautomat gesprengt wurde. Die Täter hatten explosives Gasgemisch in das Gerät gepumpt und gezündet. Ans Bargeld aber kamen sie nicht. Zeugen sahen zwei Gestalten, gekleidet in schwarze Ganzkörperanzüge, die mit einem Audi flohen. Ein unverwechselbares Erkennungszeichen: Offenbar hatte eine berüchtigte Gruppierungen zugeschlagen, die in den Medien als Audi-Bande bezeichnet wird. Benannt nach der bevorzugten Marke der Fluchtfahrzeuge.

Das Phänomen der sprengenden Banden hatte sich seit 2015 in Deutschland ausgebreitet. Bis dahin waren in den Niederlanden serienweise Bankomaten gesprengt worden, bis die dortigen Geldinstitute mit intensiven Sicherheitsmaßnahmen reagierten. Die Täter wichen auf Deutschland aus. Erst in Nordrhein-Westfalen, bald schon im Südwesten. Im April 2016 knallte es erstmals in Stuttgart. Ein Geldautomat an der Mensa der Uni Hohenheim flog in die Luft – die Täter erbeuteten knapp 60 000 Euro.

Im Weilimdorfer Fall hatten die Fahnder offenbar bessere Ermittlungsansätze. Die Erkenntnisse über die Täter wurden so umfangreich, dass die Ermittler den Verbrechern sogar einen Schritt voraus waren. Vor gut einem Monat war die Zeit reif – als im badischen Müllheim, 30 Kilometer südlich von Freiburg, ein weiterer Automat gesprengt werden sollte. „Die Ermittler waren durch operative Maßnahmen auf die mögliche Tatbegehung vorbereitet“, sagt LKA-Sprecher Marc Eggert.

Zwei dunkle Gestalten drangen an jenem 15. August gegen 4 Uhr in einen Supermarkt ein und machten sich an einem Geldautomaten mit Gasleitung und Zündkabel zu schaffen. Anschließend kam es zum großen Knall – aber anders, als es die Täter erwartet hatten. Ein Mobiles Einsatzkommando griff zu und nahm die 27 und 29 Jahre alten Männer aus Utrecht fest. Der Fluchtwagen der Verdächtigen wurde sichergestellt. Dabei handelte es sich um einen Mietwagen, der mit gestohlenen Freiburger Kennzeichen versehen war. Für die Beamten war es keine Überraschung, dass es sich bei dem Wagen um einen Audi handelte.

Welche Taten der Spreng-Serie in Stuttgart, der Region sowie im gesamten Bundesgebiet den beiden Verdächtigen konkret zugeordnet werden können – das gehört nun zur aufwendigen Ermittlungsarbeit. Denn die Strukturen der niederländischen Bande sind komplex: „Nicht immer muss so etwas eine hierarchisch durchorganisierte Vereinigung sein“, sagt LKA-Sprecher Eggert. „Deshalb sucht man nach möglichen Verknüpfungen.“

Für welche anderen Taten könnte das Duo darüber hinaus verantwortlich sein? „Aus ermittlungstaktischen Gründen können wir darauf nicht eingehen“, sagt Eggert. Die Liste der Verdachtsfälle ist lang. Etwa die spektakuläre Explosion eines Bankautomaten in Schlaitdorf. Am 5. November 2018 hatte die Feuerwehr die brennenden Reste löschen müssen, das Rathaus blieb geschlossen. Weitere Detonationen gab es in Leinfelden-Echterdingen, Kaisersbach und Althütte (beide Rems-Murr-Kreis), Uhingen (Kreis Göppingen), Gerlingen (Kreis Ludwigsburg), Renningen (Kreis Böblingen) und Tübingen. Bei letzterer Tat im Mai 2019 sahen Zeugen drei schwarz gekleidete Männer – diesmal auf Motorrollern.

Bei den Tätern handelt es sich nach Erkenntnissen des LKA meist um holländische Staatsbürger mit nordafrikanischer Abstammung. So auch ein 26 bis 31 Jahre altes Trio, das in Düsseldorf vor Gericht stand. Die drei Täter wurden wegen Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion zu Haftstrafen zwischen vier und sechs Jahren und zehn Monaten verurteilt. Nur ein einziger Coup hatte ihnen 108 460 Euro eingebracht.