Der Besuch einer Stuttgarter Kita könnte vom nächsten Kindergartenjahr an für Tausende Kinder teurer werden. Foto: dpa - dpa

Noch immer fehlen in Stuttgart mehr als 3000 Kitaplätze. Die freien Kita-Träger – darunter auch kirchliche - fordern rückwirkend mehr Geld. Zwei große Fraktionen sind dagegen.

StuttgartNoch immer fehlen in Stuttgart mehr als 3000 Kitaplätze. Am Ausbau der Kinderbetreuung sind die freien Träger – darunter auch kirchliche – maßgeblich beteiligt. Sie fordern nun rückwirkend mehr Geld. Zwei große Fraktionen im Gemeinderat sind dagegen.

Viele kirchliche und andere freie Träger kommen nach eigenen Aussagen mit der Finanzierung nicht mehr hin, da die steigenden Kosten eine immer größere Lücke reißen würden. In einem gemeinsamen Schreiben an die Stadträte thematisieren sie die Situation als „Kitakrise“. Der Landeshauptstadt werfen sie vor, dass diese sie „erheblich schlechter fördert als ihre eigenen Einrichtungen“. „Wir werden gezwungen sein, die Elternbeiträge zu erhöhen“, kündigte der Vorstandsvorsitzende der Evangelischen Gesellschaft (Eva), Klaus Käpplinger, nun in der Sitzung des Jugendhilfeausschusses an.

„Wir hätten das vertreten können“

Diese Einschätzung teilt auch Bildungsbürgermeisterin Isabel Fezer (FDP): „Wir müssen mit einer Erhöhung der Elternbeiträge rechnen, wenn es zu keiner Erhöhung der Förderung kommt.“ Dabei hatten sich die freien Träger und Vertreter der städtischen Fachverwaltung in einer Arbeitsgruppe bereits auf einen Vorschlag geeinigt. Demnach hätte die Förderung der Fachpersonalstellen der freien Kitaträger von 90 auf 92,5 Prozent erhöht werden sollen, und zwar rückwirkend vom 1. Januar 2019 an. „Wir hätten das fachlich vertreten können“, sagte Bürgermeisterin Isabel Fezer. Vom Haushalt 2020/21 an, so der Vorschlag der Arbeitsgruppe, solle die Stadt die Fachpersonalkosten der freien Träger vollständig übernehmen, die Beiträge zur Essensversorgung an die städtischen Kosten angleichen und die Sachkosten zu 75 Prozent bezuschussen.

Doch nach einer höheren Förderung sieht es derzeit nicht aus. Denn nicht nur die Finanzverwaltung der Stadt, sondern auch die Gemeinderatsfraktionen von CDU und Grünen lehnen eine Überbrückungslösung aus grundsätzlichen Erwägungen ab. Zwar sehen Schwarze und Grüne „die dringende Notwendigkeit“, die Zahl der Kitaplätze weiter auszubauen. Man sei auch „dankbar“, dass sich die freien Träger am Ausbau aktiv beteiligten. Und, so heißt es in einer gemeinsamen Pressemitteilung der beiden Fraktionen: „Wir erkennen auch an, dass es den meisten freien Trägern mit dem zunehmenden Ausbau ihrer Einrichtungen kaum mehr möglich ist, das Delta zwischen ihren Kosten auf der einen Seite und den städtischen Zuschüssen auf der anderen Seite durch Eigenmittel zu schließen.“

Aber die finanztechnischen Regularien der Stadt ließen eine unterjährige Erhöhung der Förderung nicht zu, schon gar nicht mitten in einem beschlossenen Doppelhaushalt. Nach Aussage von Jugendamtsvize Heinrich Korn würde die Erhöhung der Förderung der Fachpersonalkosten von 90 auf 92,5 Prozent mit 4,3 Millionen Euro zu Buche schlagen – pro Jahr. Auch mit ihrem Vorschlag, diese Summe für 2019 aus Restmitteln des Jugendamts zu bestreiten, ohne dass ein Nachtragshaushalt nötig wäre, konnten die freien Träger nicht durchdringen.

Zum einen, so Iris Ripsam (CDU), liege kein abgestimmter Verwaltungsvorschlag vor. Zum anderen, sekundierte Vittorio Lazaridis (Grüne), wolle man damit keinen Präzedenzfall schaffen – „es gibt auch anderswo Begehrlichkeiten“.

SPD pocht auf Rechtsanspruch

Bei der SPD, die auf Landesebene für ein Volksbegehren für gebührenfreie Kitas trommelt, sieht man die Sache naturgemäß anders. „Es geht um den Rechtsanspruch unserer Kinder auf eine Betreuung“, so Stadträtin Judith Vowinkel. „Die freien Träger haben den Ausbau wesentlich vorangetragen.“ Daher müsse deren Antrag auf Überbrückung der Unterfinanzierung rückwirkend umgesetzt werden. Dem stimmten auch Laura Halding-Hoppenheit (SÖS/Linke-plus) und Rose von Stein (Freie Wähler) zu.

Nun hoffen die freien Träger, dass ihr Antrag dem Verwaltungsausschuss und Gemeinderat zur Abstimmung vorgelegt wird – „wenn nicht, werden wir die Erhöhung der Elternbeiträge zum nächsten Kindergartenjahr leider prüfen müssen“, so Käpplinger. Aber: „Noch hoffen wir.“

Ähnlich sehen es Caritas-Vorstand Uwe Hardt und Jörg Schulze-Gronemeyer vom evangelischen Träger. Dass das Anliegen der freien Träger zur Abstimmung in den Gemeinderat getragen wird, wie von der Mehrheit des Jugendhilfeausschusses gewünscht, ist jedoch unrealistisch. Denn dazu bedürfte es einer abgestimmten Beschlussvorlage. Wie sagte Fezer: „Der Antrag ist angenommen. Aber es wird Ihnen nicht viel nützen.“ Oliver Ruhmann vom Gesamtelternbeirat (GEB) des katholischen Trägers sagt: „Das hat uns erschüttert – die Leidtragenden sind die Eltern.“ Man lehne höhere Gebühren ab. Aber: „Vor der Wahl will keiner mehr Geld lockermachen.“ Dass die Erhöhung dazu führen könne, dass ein Platz eines freien Trägers dann bis zu anderthalb Mal mehr kosten könne als ein städtischer, sei ihm neu. Bertram Wohlfahrt, Sprecher der Konferenz der GEB, sieht das Androhen höherer Gebühren „nur als Drohkulisse – das kommt so nicht.“