Im Kessel wird es eng. Um die Wohnungsnot in Stuttgart zu beheben, sollen Baulücken geschlossen werden. Foto: Hauptmann Quelle: Unbekannt

Von Elke Hauptmann

Stuttgart - Stuttgart ist eine der am schnellsten wachsenden Großstädte in Deutschland. 2016 stieg die Bevölkerungszahl um weitere 7500 Personen auf rund 610 000 Einwohner an. Tendenz steigend. Doch der Wohnungsmarkt kann mit dieser Entwicklung nicht Schritt halten.

Immer mehr Menschen zieht es in die Landeshauptstadt. Seit dem Tiefstand im Jahr 1999 hat Stuttgart 58 000 Einwohner hinzugewonnen - ein Plus von elf Prozent. Prognosen gehen von einem weiteren Wachstum von 3,9 Prozent bis zum Jahr 2030 aus, das wären 25 000 Menschen mehr. Der Wohnungsbau hingegen hinkt dieser Entwicklung hinterher. Obwohl im Jahr 2015 mit rund 2100 neu gebauten Wohnungen der höchste Wert seit 1998 erzielt wurde, reicht die Bautätigkeit bei weitem nicht aus, um den Bedarf an neuen Wohnungen zu decken. Dass dies Auswirkungen auf den Wohnungsmarkt hat, liegt auf der Hand: Aufgrund des Ungleichgewichts zwischen Angebot und Nachfrage ziehen die Miet- und Kaufpreise erheblich an.

Laut Mietspiegel liegt die durchschnittliche Kaltmiete derzeit bei 8,95 Euro je Quadratmeter und ist damit zuletzt um rund drei Prozent pro Jahr gestiegen. Die durchschnittliche Miete der am Markt angebotenen Wohnungen legte allein zwischen Mitte 2015 und Mitte 2016 um ganze 9,7 Prozent zu. Auch wer angesichts niedriger Zinsen sein Geld in Immobilien anlegen will, muss tief in die Tasche greifen: Allein 2016 verteuerten sich die Preise für gebrauchte Eigentumswohnungen um fast 15 Prozent auf im Mittel 3120 Euro je Quadratmeter. Neugebaute Eigentumswohnungen kosteten 2016 im Durchschnitt rund 5400 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche. Angesichts dieser Preise verwundert es nicht, dass die Eigentumsquote in Stuttgart gerade mal 27,5 Prozent aller Haushalte ausmacht.

„Die anhaltend hohe Nachfrage nach Wohnungen und die kräftig steigenden Mietpreise führen dazu, dass sich immer mehr Menschen keine Wohnung in Stuttgart mehr leisten können“, stellt Thomas Schwarz, der Leiter des Statistischen Amtes, fest. Wie groß der Mangel an Wohnraum wirklich ist, lässt sich nicht verlässlich sagen. Fest aber steht: Er trifft vor allem Ältere und sozial Schwache - mehr als 4000 Menschen stehen mittlerweile in der städtischen Notfallkartei. Zunehmend haben aber auch Haushalte mit durchschnittlichem Einkommen, insbesondere Familien mit Kindern, Probleme, auf dem freien Wohnungsmarkt eine bezahlbare Wohnung zu finden.

Die Stadt versucht gegenzusteuern: 1800 neue Wohnungen jährlich, darunter 300 Sozialwohnungen, sind das erklärte Ziel von Oberbürgermeister Fritz Kuhn und dem Gemeinderat. Auch wenn Stuttgarts Topografie dem Wohnungsbau enge Grenzen setzt, so gibt es durchaus Potenzial. Das zeigt die städtische „Zeitstufenliste“: Sie verzeichnet 174 mögliche Baugebiete, auf insgesamt 247 Hektar Fläche könnten 21 415 Wohnungen gebaut werden - ein beträchtlicher Teil davon im Rosensteinviertel (7000 Wohnungen), das durch Stuttgart 21 entsteht. Schon in naher Zukunft könnten in 20 größeren Gebieten rund 3750 Wohnungen realisiert werden. Zum Beispiel auf dem Olga-Areal (224), dem Gelände des Bürgerhospitals (600), im Neckarpark (600 bis 800), im Quartier am Wiener Platz (125), an der Roten Wand am Killesberg (120), in der Nordbahnhof-/Rosensteinstraße (500), im Theater-Viertel und in der Maybachstraße am Pragsattel (600) und im Langenäcker-Wiesert in Stammheim (320).

Dennoch kommt Statistiker Schwarz im jüngst vorgelegten Wohnungsmarktbericht zu dem Schluss: „Der mittelfristige Neubaubedarf kann auch bei der Aktivierung aller Wohnbaupotenziale nicht gedeckt werden. Damit wird die Lage am Stuttgarter Wohnungsmarkt in den nächsten Jahren weiter angespannt bleiben.“ Wirtschaftsbürgermeister Michael Föll richtet deshalb seinen Blick über die Stadtgrenzen hinaus: „Es bedarf der gemeinsamen Anstrengungen aller Städte und Gemeinden in der Region Stuttgart, um mittel- und langfristig zu einem ausreichenden Angebot an attraktivem und bezahlbarem Wohnraum zu kommen.“