SSB-Mechatroniker Roman Götze (links) und Daniel Obergolser vom Südtiroler Seilbahn-Hersteller Leitner zerlegen ein Hydraulikaggregat. Quelle: Unbekannt

Von Sebastian Steegmüller

Stuttgart - Könnte die Standseilbahn sprechen, hätte sie wohl allerhand kurioser Geschichten zu erzählen. Nicht umsonst hat sie in den Jahren nach ihrer Eröffnung im Oktober 1929 den Spitznamen „Erbschleicher- Express“ erhalten. Obwohl die Auflagefläche für einen Sarg im Eingangsbereich noch vorhanden ist, sind die Zeiten, als Hinterbliebene gemeinsam mit dem Verstorbenen im hölzernen Zug zum Waldfriedhof fuhren, lang vorbei. Lang vorbei sind auch die Zeiten, als die Seilbahn aufgrund veralteter Technik regelmäßig stehen blieb. „Früher ist sie einmal im Monat ausgefallen“, erinnert sich der stellvertretende SSB-Betriebsleiter Rüdiger Walz, der noch bis kommenden Mittwoch mit fünf Mitarbeitern die komplette Anlage überprüft. Schuld an den Ausfällen sei häufig das sogenannte „Schlappseil“ gewesen. Ursprünglich waren die Züge nur mit einem Seil verbunden, sobald ein Wagen mehr Fahrt als der andere aufgenommen hatte und das Seil an einer Stelle zu weit durchhing, hat das Sicherheitssystem eingegriffen und eine Notbremsung eingeleitet. Diese Gefahr besteht seit 2004 nicht mehr. Damals wurde die Anlage bei einer umfassenden Modernisierung auf ein Drei-Seil-System umgestellt, das Durchhängen somit ausgeschlossen.

Und dennoch muss die Seilbahn jedes Jahr auf Herz und Nieren geprüft werden. Unter anderem wird die Elektrik durchgecheckt, das Antriebssystem kontrolliert und sämtliche Gelenke gefettet. „Eben alle sicherheitsrelevanten Bauteile untersucht.“ Seit dem 8. Mai liegt das Hauptaugenmerk auf der Hydraulik, die vor allem für die Federspeicherbremsen benötigt wird. „Wir ersetzen alle Schläuche und Flüssigkeiten“, sagt Walz. Obwohl der Hersteller Intervalle von 15 Jahren vorsieht, werde man schon zwei Jahre vor Ablauf der Frist aktiv. „Es bestehen jedoch keine Mängel“, sagt der 46-Jährige. Jeder auftretende Defekt werde sofort behoben, ansonsten dürfe die Seilbahn keine Fahrgäste transportieren. Ziel der jährlichen Revision sei, präventiv vorzugehen. „Und nicht zu warten, bis etwas kaputt geht.“ Ein Umstand, der die Arbeit erschwert: Die Hydraulikleitungen, die einem Druck von bis zu 450 bar standhalten, gibt es nicht von der Stange. „Sie müssen vor Ort auf Länge geschnitten und gepresst werden.“ Dazu ist extra ein Experte der Schweizer Seilbahn-Firma Leitner vor Ort, der die fünf Mitarbeiter der Stuttgarter Straßenbahnen AG unterstützt.

Nicht die kleinste Luftblase wird im vierfach abgesicherten Bremssystem geduldet. Auf der 536 Meter langen und bis zu 28,2 Prozent steilen Strecke regelt zunächst ein 110 Kilowatt starkes Elektroaggregat per Motorbremse die Geschwindigkeit. Reicht dessen Kraft nicht aus, greifen anschließend eine riesige Scheibenbremse sowie drei weitere Betriebsbremsen, die direkt am Antriebsstrang sitzen. Sollten wider Erwartens doch alle Stricke, also das Seil, reißen, sorgen zwei Zangenbremsen direkt am Zug für den schnellen Stillstand der Wagen. Ein Szenario, das die SSB-Techniker natürlich verhindern wollen. Deshalb wird auch das Herzstück der Anlage regelmäßig unter die Lupe genommen. Die Untersuchung des Seils erfolgt unter anderem per Gehör. „Dazu klopft man auf die einzelnen Drahtenden“, sagt Walz. Ob eine Beschädigung vorliegt, erkenne der Experte am erzeugten Ton. Um auf Nummer sicher zu gehen, wurde das Seil im vergangenen Jahr zudem per Ultraschall einer sogenannten Magnetinduktionsprüfung unterzogen. Keine Arbeiten waren dieses Jahr an der Karosserie notwendig. Das Holzkleid erhielt 2014 drei Lagen Lack und noch einen UV-Schutz, das komplette Chassis ist ebenfalls überholt. „2014 hatten wir an zwei Stellen Rostansätze, das haben wir damals natürlich behoben.“

Damit bei der jährlichen Revision alles mit rechten Dingen zugeht, kommt zum Abschluss der Arbeiten normalerweise ein Gutachter ins Haus. Ein Prüfer des Landesamtes für Geologie, Rohstoffe und Bergbau, der die Arbeiten und die Anlage kontrolliert sowie verschiedene Stichproben durchführt. Erst, wenn er grünes Licht gibt, verlängert sich die Betriebserlaubnis um ein Jahr. Weil der Experte derzeit jedoch im Urlaub ist, findet der Termin nicht am kommenden Mittwoch, sondern ausnahmsweise erst am 7. Juni statt.

Angst vor der Untersuchung hat der Energieelektroniker Walz nicht. „Die Seilbahn wird regelmäßig gewartet und ist gut in Schuss.“ Auch ohne den Segen der Aufsichtsbehörde wird sie nach Abschluss der Revision an Christi Himmelfahrt, 25. Mai, wieder in Betrieb gehen. Bis dahin verkehrt im 30-Minuten-Takt ein Ersatzbus zwischen dem Waldfriedhof und dem Südheimer Platz in Heslach.