Foto: Lichtgut/Leif Piechowski - Lichtgut/Leif Piechowski

Stuttgart ist für Radfahrer ein schwieriges Pflaster. Das soll sich ändern.

StuttgartDie Stuttgarter sollen vom Auto auf das Fahrrad umsteigen. Zumindest ein großer Teil der Stuttgarter. „Der Radverkehr ist ein wichtiger Baustein zur Lösung der Mobilitäts- und Luftprobleme in unserer Stadt“, sagt Theijs Lucas. Aufgrund drohender Fahrverbote und der aktuellen Feinstaubdebatte sei es an der Zeit, das Rad als wichtige Alternative zu sehen.

Doch wie das ändern, wenn die Stadt und die Verwaltung aus seiner Sicht zu langsam sind? Der 31-Jährige nimmt die Sache nun selbst in die Hand. Die Idee kam ihm im vergangenen Jahr, als er bei der Fahrrad-Demo Critical Mass mitgefahren ist. „Ich war begeistert von dem Spirit“, erzählt er. Daraufhin hat er die Initiative „Zweirat Stuttgart“ gegründet. Rund 45 leidenschaftliche Radler hat er zusammengetrommelt.

Im letzten halben Jahr haben sie intensiv an einem Radkonzept für die Landeshauptstadt gearbeitet. Jetzt haben sie ihren „Stuttgarter Radentscheid“ präsentiert. Der Radentscheid ist ein Forderungspapier der Bürgerinitiative. Zehn Punkte hat die Gruppe um Lucas ausgearbeitet, die sie von Politik und Verwaltung umgesetzt haben möchte. Oberste Priorität hat dabei ein „sicheres Radfahren auf allen Straßen für alle“. „Wir wollen auch die aufs Rad bringen, die noch Anfänger sind, bis hin zu denen, die im hohen Alter mit dem Pedelec das Radeln entdecken“, sagt Lucas.

Momentan liegt der Anteil der Radler am Gesamtverkehr in der Stadt bei um die fünf Prozent, schätzt Frank Zühlke, stellvertretender Vorsitzender des ADFC-Kreisverbandes Stuttgart. „Das ist uns zu wenig“, sagt er. Man wolle auf 25 Prozent kommen, meint Zühlke, der den Radentscheid mit dem ADFC unterstützt.

Um sicher in Stuttgart auf dem Rad unterwegs zu sein, fehle es aber an der notwendigen Infrastruktur. Davon sind neben dem ADFC auch die Mitglieder der Bürgerinitiative überzeugt. Aus ihrer Sicht muss der Radverkehr jedes Ziel in der Stadt sicher verbinden. Sie fordern zudem, die geplanten Hauptradrouten, die für einen flüssigen Alltags- und auch Pendelverkehr notwendig seien, endlich auszubauen.

Die Stadtverwaltung soll auch „Mängel- und Gefahrenstellen“ beseitigen, pro Jahr mindestens 31 Kreuzungen und Einmündungen radtauglich gestalten und die Radwege pflegen – also von Verschmutzungen, Schnee und Hindernissen befreien. Zu ihren Forderungen gehören unter anderem auch etwa 5000 neue Fahrradabstellplätze jährlich und mehr Personal für den Radverkehr in der Verwaltung.

Warum der Zehn-Punkte-Plan notwendig ist? „Ich lege immer alle meine Wege mit dem Fahrrad zurück“, sagt Bärbel Wittich von der Initiative. Voriges Jahr ist sie von Göttingen nach Stuttgart gezogen. „Da habe ich schnell gemerkt, dass das hier nicht einfach ist.“ Dabei war die Geografie Stuttgarts nicht das Problem. „Ich hatte ständig das Gefühl, ich bin gar nicht mitgedacht in der Verkehrsführung“, so ihr Fazit nach knapp 18 Monaten als Radlerin in Stuttgart. Die ausgeschilderten Routen hörten ständig mittendrin auf, es gebe auf engen Straßen oft unsichere Situationen und viele für Radler unübersichtliche Kreuzungen. Damit die Idee einer Bürgerinitiative umgesetzt wird, brauche es zunächst einen Forderungskatalog, eine Kostenaufstellung und die Unterstützung von 20 000 wahlberechtigten Stuttgartern, sagt Sarah Händel. Sie unterstützt mit dem Verein Mehr Demokratie den Radentscheid. Noch diesen Sommer wolle man mit dem Sammeln der Unterschriften beginnen.