Beamte des Polizeipräsidiums Stuttgart sensibilisieren Bürger für die Maschen der Betrüger. Wichtig ist, dass man auch in seiner Nachbarschaft und im Freundeskreis die Augen offen hält. Foto: Steegmüller Foto: Steegmüller

Stuttgart – Ältere Menschen sind nach wie vor ein beliebtes Ziel von Trickbetrügern. Der Enkel, der in Geldnot ist, hat sich wohl abgenutzt. Mittlerweile geben die Banden vor, Polizisten zu sein, die das Hab und Gut zur Sicherheit der Senioren abholen. Alleine in diesem Jahr beläuft sich der entstandene Schaden in Stuttgart auf 150 000 Euro. Die echten Beamten schlagen daher Alarm und wollen mit einer Präventionskampagne auf die Gefahren hinweisen.
Von Sebastian Steegmüller
Das größte Problem der Ermittler ist die Vorgehensweise. Zunächst suchen sich die Hintermänner, die meist in unerreichbaren Callcentern in der Türkei sitzen, aus Telefonbüchern Namen potenzieller Opfer aus. Im Polizeijargon werden diese Betrüger „Keiler“ genannt, da es ihre Aufgabe ist, den Fuß in die Tür zu bringen. Dazu führen sie ein wahres Theaterstück auf – oftmals mit mehreren Kripobeamten, selbst als Staatsanwalt geben sie sich aus. „Die Täter sprechen dabei fließend Deutsch“, sagt der Erste Kriminalhauptkommissar Herbert Paetow. Ihr Ziel: Den Opfern soll der Eindruck vermittelt werden, dass ein Einbruch kurz bevorstehe und es empfehlenswert sei, die Wertsachen an die Polizei zu übergeben. Sobald die verunsicherten Senioren weichgeklopft sind, holt ein in zivil gekleideter Beamter, mögliches Diebesgut ab.
Um sich das Vorzeigen eines gefälschten Dienstausweises zu ersparen, wird am Telefon vereinbart, dass Geld und Schmuck nur übergeben werden darf, wenn der Abholer ein Codewort nennt. Wenn der Schwindel auffliegt, ist der Mann meist über alle Berge. Wird mal solch ein „Läufer“ gefasst, hat die Polizei auch nicht sonderlich viel davon. „Die Ermittlungen sind wirklich schwierig und nicht nachhaltig“, so Paetow. Sobald ein Bote aus dem Verkehr gezogen wird, werde eben der nächste geschickt.
„Oft gehört er nicht mal zur Bande, sondern wurde nur geködert, um ein Paket abzuholen. Dafür erhält er dann 200 bis 300 Euro.“ Für die Betrüger kein großer Betrag, wenn man ihre Beute betrachtet. In diesem Jahr wurden 270 solcher Fälle und eine Schadenssumme von 150 000 Euro registriert – 2016 waren es 112 Delikte und ein Schaden von 200 000 Euro. „Wir gehen jedoch von einer hohen Dunkelziffer aus.“ Eine ältere Stuttgarterin sei auf einen Schlag sogar um 40 000 Euro erleichtert worden. Dass nach oben keine Grenzen gesetzt sind, zeigen Beispiele aus anderen Städten. In Ditzingen überreichte eine 86-Jährige einem „Läufer“ Bargeld und Wertgegenstände in Höhe von 200 000 Euro. In München hatten die Trickbetrüger sogar noch mehr Erfolg: Als vermeintliche Mitarbeiter des Bundeskriminalamtes erbeuteten sie in mehreren Anläufen Goldbarren und Bargeld im Wert von 1,2 Millionen Euro.
In der Landeshauptstadt hat die Zahl der Anrufer, die sich als Polizisten ausgeben, in den vergangenen Monaten deutlich zugenommen. „Die vielen Trickbetrügereien durch angebliche Polizeibeamte nehmen wir sehr ernst“, sagt Kriminaldirektor Volker Mössinger, stellvertretender Leiter der Kriminalpolizei Stuttgart. „Wir wollen, dass die Menschen hier nicht zum Opfer werden, deshalb verstärken wir sowohl unsere Prävention als auch die Strafverfolgung. Wir müssen diese perfiden Täter, die den guten Namen der Polizei missbrauchen, dringend stoppen.“ Teil des Einsatzkonzeptes sei, die Zahl der Beamten, in Zivil und in Uniform, deutlich zu erhöhen. Sie werden in den kommenden Wochen Präsenz zeigen. „Dabei sollen die Streifen Ansprechpartner sein, aber auch aktiv auf Bürger zugehen.“
Ulrich Sauter, der Leiter des Referats Prävention, ruft die Bürger außerdem zu mehr Wachsamkeit auf. Man dürfe sich am Telefon zu nichts drängen lassen. „Die Polizei verlangt niemals die Herausgabe von Geld oder Wertsachen.“ Im Zweifel solle man immer die „richtige“ Polizei über die 110 anrufen. „Besser zweimal zu viel als einmal zu wenig.“

Tipps der Polizei

  • Misstrauen: Sobald man einen Anrufer nicht eindeutig erkennt, sollte man misstrauisch werden.
  • Keine Auskunft: Egal, ob sich ein Anrufer als Polizist oder Staatsanwalt ausgibt, am Telefon gibt man keine Auskunft darüber, ob man Geld oder Schmuck besitzt.
  • Kein Bargeld: Hohe Geldforderungen am Telefon sind immer abzulehnen. Außerdem sollten größere Geldbeträge nicht zu Hause aufbewahrt werden.
  • Kein Vorname: Die Banden suchen in Telefonbüchern häufig nach Vornamen, die auf ältere Bürger schließen lassen. Die Polizei empfiehlt nur den Anfangsbuchstaben eintragen zu lassen oder den Vornamen ganz zu streichen.