Vom Inneren Nordbahnhof aus wurden jüdische Mitbürger in die Todeslager geschickt. Heute sind Gleise und Rampe eine Gedenkstätte. Foto: dpa Quelle: Unbekannt

Stuttgart (eh) - Vor 75 Jahren, am 1. Dezember 1941, verließ der erste Deportationszug Stuttgart - für die Juden in Württemberg und Hohenzollern begann der Holocaust. Dem ersten Transport folgten bis Februar 1945 acht weitere. Insgesamt wurden mehr als 2500 Männer, Frauen und Kinder verschleppt. Die wenigsten entkamen der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik. Lediglich 180 Menschen kehrten nach Württemberg zurück.

Die ersten „Zuführungen“ der aus 50 Orten in Württemberg und Hohenzollern stammenden jüdischen Bürger begannen in den letzten Novembertagen 1941. Im provisorischen Sammellager Killesberg auf dem ehemaligen Reichsgartenschaugelände verbrachten sie drei Tage und Nächte in drangvoller Enge in der sogenannten „Ehrenhalle des Reichsnährstandes“, die für die Reichsgartenschau 1939 errichtet worden war. In den frühen Morgenstunden des 1. Dezember 1941 schließlich begann die Deportation. Vom Killesberg aus wurden rund 1000 Menschen bei Eiseskälte an der evangelischen Martinskirche vorbei über den Eckartshaldenweg zu den Gleisen am Inneren Nordbahnhof getrieben.

Ziel des Transports, für den die Juden sogar noch 58 Reichsmark zahlen mussten, war das Lager Jungfernhof bei Riga in Lettland. Dort trafen sie am 4. Dezember ein. Viele von ihnen wussten nicht, was sie dort erwartete - die erste Deportation war noch als „Umsiedlung“ getarnt: Es wurde ausdrücklich darum gebeten, Bau- und Küchengeräte sowie Sanitätszeug mitzunehmen.

Die Zustände im Lager waren unvorstellbar. Wer nicht arbeiten konnte, wurde ausgesondert. Am 26. März 1942 wurden in einem Wald bei Riga über 1600 Erwachsene und Kinder erschossen - unter ihnen war auch der Großteil der deportierten württembergischen Juden. Von den rund 1000 Menschen des ersten Transports überlebten nur 43.

Vom Inneren Nordbahnhof wurden zwischen 1941 und 1945 mehr als 2500 Menschen jüdischer Herkunft deportiert. Fast alle wurden in Theresienstadt, in Riga, in Izbica, in Auschwitz und in anderen Lagern der Nationalsozialisten umgebracht. Die Gleise in den Tod, die Rampe und die Prellböcke sind noch vorhanden. Seit 2006 erinnert dort die Gedenkstätte „Zeichen der Erinnerung“ an das Geschehen. Auch auf dem ehemaligen Messegelände steht ein Gedenkstein.

Ende April 1945 lebten von ursprünglich knapp 5000 Stuttgarter Juden nur noch rund 120 in der Stadt. Über 2000 konnten rechtzeitig emigrieren, der Rest wurde deportiert und in den meisten Fällen umgebracht. Die kleine Gruppe württembergischer Juden, die überlebt hatte, machte sich nach dem Krieg an den Wiederaufbau der Gemeinde. Die Einweihung der neuen Stuttgarter Synagoge 1952 wurde zum sichtbaren Zeichen, dass die Israelitische Religionsgemeinschaft in Württemberg wiedererstanden war. Seit ihrer Neugründung 1945 ist sie auf mittlerweile mehr als 3000 Mitglieder angewachsen.

Am Donnerstag, 1. Dezember, wird an den Beginn der Deportationen erinnert. Um 17 Uhr werden beim Gedenkstein im Höhenpark Killesberg in jüdischer Tradition Steine niedergelegt. Es spricht Landesrabbiner Netanel Wurmser. Im Anschluss gegen 17.40 Uhr findet eine Gedenkfeier mit Oberbürgermeister Fritz Kuhn und Staatsminister Klaus-Peter Murawski in der Akademie der Bildenden Künste statt.