Ein Sendemast Foto: Lichtgut/Max Kovalenko - Lichtgut/Max Kovalenko

Bundesminister Andreas Scheuer (CSU) will den Funklöchern in Deutschland ein Ende machen. Diese gibt es auch in Stuttgart.

StuttgartDer neue Bundesminister Andreas Scheuer (CSU) will mehr Funksendemasten, um den Funklöchern in Deutschland ein Ende zu machen – und diese Bremser von Telefongesprächen und Datenaustausch über Mobilgeräte gibt es auch im Zentrum des Ballungsraums Stuttgart. Entsprechende Klagen sind zum Beispiel bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) Region Stuttgart laut geworden. Demnach scheint man auf Straßen in den Landkreisen um Stuttgart herum recht oft in Funklöcher zu geraten. Dem ehrenamtlichen IHK-Funktionär Alexander Banzhaf ist das schon auf der Fahrt mit der S-Bahn zwischen Sindelfingen und Stuttgart passiert. Dort könne man nicht mal mit dem – an sich weit verbreiteten – GSM-Funknetz, also einem Mobilfunkstandard der Anfangszeit, arbeiten. Die Verbindung halte nicht einmal wenige Minuten. Telefonieren oder mit einer Software zu arbeiten, für die man eine Netzwerkverbindung brauche, sei unmöglich. Bei Oliver Buttler von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg meldeten sich auch andere Handy- und Smartphone-Nutzer. Problembereiche finden sich nach seiner Erfahrung straßen- oder abschnittsweise in fast allen Höhenlagen von Stuttgart. In der Innenstadt seien die Verhältnisse gut, die Mobilfunknetze dichter und leistungsfähiger.

Es fehlen Grundstücke

Nach den zirkulierenden Zahlen sähe es eigentlich gar nicht schlecht aus. Mit dem GSM-Standard, erklärte das Wirtschaftsministerium des Landes schon 2016, würden 99 Prozent der Haushalte sogar in der gesamten Region von jedem einzelnen der drei deutschen Mobilfunk-Netzbetreiber – Telekom, Vodafone und Telefonica – abgedeckt. Beim schnelleren und leistungsfähigeren Funkstandard UMTS wurden damals wie heute 91 bis 99 Prozent gehandelt. Der noch bessere Standard LTE – vierte Generation der Technik – wurde mit 87 Prozent (Vodafone) bis 91,9 Prozent (Telekom) der Haushalte angegeben. Mangelhafte Versorgung mit LTE oder größere Lücken, stellte der Verband Region Stuttgart (VRS) Ende 2017 fest, seien in siedlungsarmen und waldreichen Gebieten zu verzeichnen – und eine Unterversorgung in vielen Kommunen in einzelnen Straßen und Stadtteilen, zumindest im einen oder anderen Firmennetz.

Eine 100-prozentige Abdeckung der Region mit LTE werde vermutlich nie erreicht werden, meinte der VRS, weil die Versorger oft keine Grundstücke für Sender bekämen und die Sache auch wirtschaftlich sein müsse. Bis zur flächendeckenden Einführung von 5G, dem Standard der fünften Generation, werde noch einige Zeit vergehen. Der Bund habe sich ein hochleistungsfähiges 5G-Netz für die 20 größten Städte und alle Hauptverkehrswege bis 2025 zum Ziel gesetzt – Voraussetzung für autonomes Fahren.

Doch selbst in vermeintlich flächendeckenden Netzen stehen die Frequenzen nicht immer und überall zur Verfügung. Das hängt auch von der Zahl der momentanen Nutzer und der Zahl der Funkzellen ab. Die Aussagen der Betreiber über die großartige Abdeckung sind nach Buttlers Meinung mit Vorsicht zu genießen. In den Karten schlügen sich nicht plötzliche Gesprächsabbrüche nieder, weil Fußgänger oder Autofahrer sich bewegen und von einer Funkzelle zur anderen wechseln. Auch um Problemzonen in den Karten zu erkennen, muss man manchmal genau hinschauen und stark zoomen.

Beispiel Ottendorfer Straße in Bad Cannstatt: Dort gibt es einige Häuser, deren Bewohner daheim lieber auf dem Festnetztelefon angerufen werden möchten, weil im Mobilfunk die Qualität zu schlecht ist, dabei müsste hier – laut Kartenmaterial – zumindest die Versorgung mit dem GSM-Netz gewährleistet sein. Weiße Flecken werden für diese Straße in den leistungsfähigeren Netzen angezeigt – wie in größerem Maßstab für die Umgebung von Schloss Solitude und für einen kleinen Bereich zwischen Frauenkopf und Waldebene Ost. Einige städtische Punkte sollen laut Karten mit allen Funkfrequenzen gut abgedeckt sein, dennoch kommen von dort immer wieder Klagen von Autofahrern. Beispiele dafür: die Bereiche Fernsehturm, Bopser und Weinsteige.

„Fast an der Grenze“ der Kapazität

Auch in vermeintlich gut versorgten Gebieten sind die Funknetze nach Buttlers Einschätzung bisweilen „fast an der Grenze“ der Kapazität. Was den Verbraucherschützer nicht überrascht: Smartphone-Nutzern würden von den Mobilfunkanbietern ständig größere Datenpakete verkauft – und die größeren Datenvolumen würden mit Streamingdiensten fleißig zum Herabladen von Musik und Filmen genutzt. „Im Grunde braucht man weitere Mobilfunkmasten“, sagt Buttler. Doch die rufen Protest hervor, wie auf der Rohrer Höhe in Stuttgart-Vaihingen. Einen offenen Brief an Stuttgarts OB Fritz Kuhn (Grüne) unterschrieben bis Mitte März fast 600 Menschen.

Ein entschiedener Mastengegner ist Peter Hensinger, Vorstandsmitglied im Stuttgarter Bund für Umwelt und Naturschutz und bei der Verbraucherschutzorganisation Diagnose Funk. Er warnt seit Jahren vor den Folgen durch die Strahlung, die seiner Einschätzung nach von den Mobilfunkmasten ausgehen: Herzrasen und Kopfschmerzen bei „elektrosensiblen Menschen“ sowie Krebsgefahr. Von der Initiative des Ministers Scheuer erwartet er sich nichts Gutes. Mit dem Bau weiterer Masten drohe die Verstrahlung der Bevölkerung riesige Ausmaße anzunehmen. Aber auch der Senkung des Energieverbrauchs und dem Datenschutz würden mit mehr Masten und mehr Mobilfunk Bärendienste erwiesen.

Hensinger unterstützt die Bemühungen in der Region zum Ausbau des Glasfaser-Kabelnetzes. So könnten die Menschen in Gebäuden besser und mit weniger Elektrostrahlung kommunizieren. Für den Mobilfunk schlägt er statt Masten kleine Funkzellen mit geringerer Leistung vor. Deren Strahlung würde nicht durchschlagen auf Innenräume.