Von Sebastian Steegmüller

Stuttgart - Am Samstagabend sind zwei Polizisten zu einem Streit in einem Bordell in der Leonhardstraße gerufen worden. Eigentlich wollten sie die Auseinandersetzung zwischen einem Freier und einer Prostituierten nur schlichten, wurden jedoch dann selbst zu Opfern: Beiden Beamten spuckte der 26-Jährige in den Mund. Anschließend gab er an, eine sehr ansteckende Krankheit zu haben.

Im Lauf des gestrigen Tages stellte sich glücklicherweise heraus, dass der Mann offenbar gelogen hatte. Um auf Nummer sicher zu gehen, unterzogen sich die Beamten auf ärztlichen Rat jedoch schon in der Nacht zuvor einer Medikamentenprophylaxe. Mit der Notfallmaßnahme sollte eine mögliche Infektion verhindert werden. „Anschließend wurde noch ein Schnelltest gemacht, der negativ ausgefallen ist“, sagte ein Polizeisprecher gestern. Dennoch seien beide Beamten vorerst dienstunfähig.

Auslöser war ein Streit zwischen dem Mann und einer Prostituierten. Offenbar war er mit den Leistungen nicht zufrieden, wollte nicht bezahlen. Schon Anfang August war er aufgrund eines ähnlichen Vorfalls aufgefallen, auch damals musste die Polizei anrücken. Dieses Mal konnten die Beamten ihn jedoch nicht so leicht beruhigen. Als sie im Bordell eintrafen, war der Mann immer noch auf 180. Ein Grund könnte die vorangegangene Auseinandersetzung mit dem Sicherheitspersonal gewesen sein. Der 26-Jährige wurde dabei im Gesicht verletzt. Sicherlich keine Entschuldigung für sein respektloses Verhalten gegenüber den alarmierten Polizisten: Er ging sofort auf sie los und bespuckte diese, wodurch die 23-jährige Beamtin und ihr 52-jähriger Kollege von blutigem Sekret in den Mund getroffen wurden. Weiterhin zog sich der Beamte eine blutige Armverletzung zu.

Mit hinzugezogenen Kräften konnte der Mann letztendlich mit Handschellen fixiert und in einen Streifenwagen gebracht werden, wo er weiter randalierte und einen Klapptisch aus der Verankerung trat. Zum weiteren Transport in ein Krankenhaus mussten dem Mann Fußfesseln und ein Spuckschutz angelegt werden.

Der polizeibekannte Mann wurde nach Beendigung der polizeilichen Maßnahmen wieder entlassen. Aus Sicht der Staatsanwaltschaft war kein Anlass für eine Inhaftierung gegeben. Gegen ihn ist ein Ermittlungsverfahren wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte eingeleitet worden. Dass Polizisten in der Landeshauptstadt zwischen die Fronten geraten, ist bei Weitem kein Einzelfall. Die Zahl der Übergriffe bewegt sich seit Jahren auf einem hohen Niveau, ist aber laut der aktuellen Kriminalstatistik im vergangenen Jahr nochmals leicht angestiegen. 2016 wurden insgesamt 895 Straftaten (Vorjahr 806) registrierte, bei denen 1863 Polizisten verletzt wurden. Zehn Prozent beziehungsweise 170 Beamte mehr als noch im Jahr 2015. Auch im Polizeipräsidium Stuttgart eine Entwicklung, die Anlass zur Sorge bereitet. „Respektlosigkeit und Angriffe gegenüber Polizeibeamten sind nicht hinnehmbar, jeder Angriff auf einen Polizeibeamten wird auch zukünftig konsequent verfolgt“, kündigte Polizeipräsident Franz Lutz bei der Vorstellung der Bilanz im vergangenen April an.