Am Boden sollen die Maschinen nach Möglichkeit möglichst kurz bleiben. Foto: Flughafen Stuttgart - Flughafen Stuttgart

Jeder dritte Flug im Sommer 2018 startete oder landete unpünktlich. Die Flughafen-Chefin Arina Freitag ist optimistisch, dass 2019 besser wird.

StuttgartDer Tag der Wahrheit kommt mit dem 26. April. Dieser Freitag werde der „erste verkehrsstarke Tag“ in der Periode des Sommerflugplans sein, sagt Johannes Schumm, Sprecher der Flughafen Stuttgart GmbH (FSG). Dann wird man wissen, ob sich die anhaltenden Probleme im deutschen Luftverkehr schon im nicht ganz so starken Osterreiseverkehr auswirken – oder doch erst in der hektischeren Pfingstreisezeit. Ab Pfingsten erwartet FSG-Geschäftsführerin Arina Freitag auf jeden Fall „eine sehr herausfordernde Sommerspitze in einem herausfordernden Jahr“. Zum Start in die Osterferien hoben in Stuttgart immerhin drei von vier Flugzeugen pünktlich ab, also höchstens 15 Minuten später als geplant. Bei den Flügen über die Feiertage waren es sogar 83 Prozent. Auch seit Jahresbeginn war die Lage etwas besser als am Anfang des Chaosjahr es 2018: Im ersten Quartal waren 85 Prozent der Flüge pünktlich (Anfang 2018: 84 Prozent). Der Unterschied rührt daher, dass im vergangenen Jahr nur 82 Prozent der Flugzeuge pünktlich in Stuttgart eingetroffen waren, nun aber 84 Prozent. 18 Prozent Unpünktlichkeit wie Anfang 2018 mag sich ja noch halbwegs harmlos anhören. Aber: In dieser Statistik tauchen viele Problemfälle gar nicht auf – weil die Flüge ausfielen. Im ersten Halbjahr 2018 doppelt so viele wie 2017.

Folgen der Air-Berlin-Pleite

Die Ursachen des Desasters: Diverse Airlines hatten Ende 2017 versucht, Flugzeuge der pleitegegangenen Air Berlin zu ergattern und deren Slots, die Zeitfenster für Starts und Landungen, zu besetzen. Manche wollten das erhöhte Pensum mit vergleichsweise wenig Fluggerät bewältigen. Eurowings wiederum wollte binnen kurzer Zeit viele von Air Berlin übernommene Flugzeuge in den Umlauf bringen. Dazu kamen Kapazitätsengpässe im Luftraum und Personalknappheit in der Überwachung. Dies hält auch noch an, denn die Ausbildung von Fluglotsen für die jeweiligen Überwachungssektoren in Deutschland ist zeitaufwendig. Zudem, sagen Experten, habe sich auch die Zahl der Überflüge von Deutschland 2018 drastisch erhöht. Diese Überflüge lassen den Platz im Luftraum zunehmend knapper werden. Der deutsche Ziel- und Quellverkehr könne gar nicht mehr so weit in tiefere Luftverkehrsstraßen ausweichen wie es nötig wäre, heißt es. Immerhin erkennt Arina Freitag mehr Kapazitätsreserven, was Flugzeuge und Crews der Airlines angeht. Darauf gründet sich ihr Optimismus, dass „es 2019 besser wird“. Allerdings: „Gut wird es nicht.“ Speziell bei den Flugausfällen zeigt sich im ersten Quartal auch schon, wie labil die Verhältnisse sind. Hier gab es mit 469 Fällen bereits 91 Flugausfälle mehr als im ersten Quartal 2018. Nur lag das diesmal stärker an Streiks (214 der 469 Fälle) und weniger an Problemen des Flugbetriebs. Die FSG verspricht, ihr Möglichstes für Pünktlichkeit und für die Betreuung der Reisenden tun. Mit ihren Tochterfirmen weist sie 2019 rund 150 zusätzliche Stellen aus. Manche sind schon besetzt. Allerdings gibt es auch mehr Flüge.

Inzwischen lässt sich auch genauer einschätzen, wie heftig die Misere im Jahr 2018 war. Beispiel 31. August: Da sollte für zahlreiche Passagiere die Reise mit Tuifly von Stuttgart nach Palma de Mallorca starten: Abflug 6.50 Uhr. So kommt man normalerweise noch vormittags an den Strand. An jenem Freitag aber mussten die Passagiere lange warten. Erst um 23.30 Uhr hob die Maschine ab – ein Horror für Reisende.

Von Januar bis August, meldete die FSG, seien ein Viertel aller Flüge mindestens 15 Minuten später gestartet oder gelandet als geplant. Details dazu wurden kaum verraten. Daten gibt es, nur sind sie für Fluggäste schwer zugänglich. Dienstleister lassen sich solche Archivdaten bezahlen. Datenredakteure des Südwestrundfunks (SWR) haben aber seit Juli 2018 aus mehreren Quellen die Flugbewegungen unter anderem an den Flughäfen Stuttgart, Frankfurt, Karlsruhe/Baden-Baden und Friedrichshafen mitgeschnitten. Der SWR hat unserer Redaktion den Datensatz für den Zeitraum bis Ende März 2019 für eigene Analysen überlassen. Daraus geht hervor, dass Stuttgart relativ gute Pünktlichkeitswerte hat. Zwischen Juli 2018 und Ende März 2019 war etwas weniger als jeder vierte der rund 75 000 geplanten Flüge 15 Minuten oder mehr zu spät - das ist spürbar besser als der Wert des Großflughafens Frankfurt und minimal besser als der Wert von Karlsruhe/Baden-Baden. Rund 1200 Verbindungen von oder nach Stuttgart wurden zwischen Juli 2018 und März 2019 gestrichen.

Lufthansa und Easyjet pünktlich

Die Verspätungen häuften sich im Sommer. Die höchsten Werte traten von Juli bis September auf, als teilweise jeder dritte Flug unpünktlich startete oder landete. Für die Zeit zwischen Ostern und Juli liegen derzeit keine Daten vor. Dagegen geht aus dem SWR-Datensatz hervor, dass Lufthansa und Easyjet in den zurückliegenden neun Monaten relativ pünktlich flogen mit knapp 20 Prozent verspäteten Flügen. Bei Ryanair betrug der Anteil der verspäteten Flüge 30 Prozent, bei TAP und Sun Express sogar mehr als 35 Prozent. Von den gut 21 000 Flügen der Lufthansa-Tochter Eurowings war jeder vierte mehr als 15 Minuten zu spät – aber auch jeder dritte überpünktlich, also wenige Minuten früher gestartet oder gelandet.