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Von Sebastian Steegmüller

Stuttgart - Wie kann man die Feinstaub- und Stickoxid-Belastung weiter senken und möglichst schon ab dem nächsten Jahr die EU-Vorgaben erfüllen? Diese Frage soll ein Wirkungsgutachten zur Luftreinhaltung beantworten, das gestern im Umwelt- und Technikausschuss vorgestellt wurde. Die wichtigste Maßnahme ist nach Ansicht des Verkehrsministeriums ein Fahrverbot für ältere Dieselfahrzeuge.

Viele kleine Maßnahmen, wie die Mooswand, der Kehrversuch und Tempo 40, könnten einen Teil zur Verbesserung der Luft in der Landeshauptstadt beitragen. Der große Schlag sei jedoch nur möglich, wenn man Diesel-Fahrzeugen, die nicht die Abgasnorm Euro 6 erfüllen, die Einfahrt während eines Feinstaubalarms nach Stuttgart verwehrt. Dadurch könne man die Feinstaubbelastung um 13 Prozent senken, den Stickoxid-Ausstoß sogar um 95 Prozent, sagte Christoph Erdmenger, Umweltwissenschaftler des Verkehrsministeriums, gestern im Rathaus.

Schon im kommenden Jahr soll die Maßnahme umgesetzt werden. Jedoch keineswegs aus freien Stücken: Im vergangenen April hat das Regierungspräsidium vor dem Verwaltungsgericht einem Vergleich zugestimmt: Ab dem 1. Januar 2018 muss der Verkehr am Neckartor während eines Feinstaubalarms um 20 Prozent reduziert werden. „Das Fahrverbot bringt uns fast ans Ziel“, so Erdmenger. Die rechtliche Grundlage dafür soll die blaue Plakette bringen. Obwohl sie in der Bundesregierung äußerst umstritten ist, hoffen Stadt und Land noch immer auf ihre Einführung. Sollte sie nicht kommen, wolle man zu Plan B greifen, so Oberbürgermeister Fritz Kuhn. Und zwar ein Durchfahrtsverbot für ältere Diesel-Fahrzeuge über die Straßenverkehrsordnung erwirken. Es solle durch den Talkessel bis nach Feuerbach und Zuffenhausen ziehen.

Obwohl das Wirkungsgutachten nach Ansicht von FDP-Stadtrat Michael Conz nicht wirklich neue Erkenntnisse geliefert hat, löste die Präsentation im Umwelt- und Technikausschuss heftige Diskussionen aus. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Martin Körner sprach mit Blick auf die hohen Feinstaubwerte von einem „absurden Theater“, bezeichnete den Erfolg des freiwilligen Feinstaubalalarms und des damit verbundenen reduzierten Einzeltickets als „überschaubar“. Kurzfristig helfe nur ein Fahrverbot. „Wir sind aber nicht darauf vorbereitet.“ Zugleich forderte er, den massiven Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs. Den CDU-Fraktionsvorsitzenden Alexander Kotz ließ vor allem aufhorchen, dass allein in Stuttgart rund 73 000 Autos betroffen wären. „Viele Zulieferer erhalten zwar eine Sondergenehmigung. Da aber 56 534 Diesel-Fahrzeuge privat genutzt werden, wird der politische Druck gewaltig.“ Der Christdemokrat kritisierte zudem die Bezeichnung „Feinstaubalarm“. Durch diese provokante Wortwahl werde das Instrument der Vorhersage weder besser noch schlechter. Der Imageschaden, nicht durch die zu hohe Luftbelastung selbst, sondern durch die Bezeichnung „Alarm“ sei jedoch gewaltig. „Es bedarf nicht dieses Wortes.“ Denkbar wären stattdessen Begriffe wie „Feinstaubtag“, „Feinstaubsignal“ oder „austauscharme Wetterlage“. Die CDU hat bereits eine Namensänderung beantragt. Die Verwaltung solle bis März weitere Vorschläge erarbeiten.

Rückendeckung erhielt Kotz unter anderem von den Stadtisten, den Freien Wählern und der FDP. Grünen-Stadtrat Björn Peterhoff lehnte dagegen solch eine „Scheindiskussion“ ab. OB Kuhn glaubt nicht, dass der Begriff abschreckt, und verwies auf die auch im Jahr 2016 gestiegenen Übernachtungszahlen. Zugleich warnte er vor einer Namensänderung: „Wir machen uns schnell und leicht zur bundesweiten Lachnummer. Wenn wir es schaffen, die Grenzwerte einzuhalten, wäre es dagegen eine gute Werbung. Der Alarm ist nicht das Problem, sondern der Feinstaub.“