Die Verkehrssituation an der Cannstatter Straße Foto: Lichtgut/Max Kovalenko - Lichtgut/Max Kovalenko

Die Kläger am Neckartor sind verärgert über das Vorgehen der Stadt. Expressbussen der Linie X 1 droht nach einer Busspur-Posse bis September der Stau.

StuttgartJetzt herrscht dicke Luft. Noch bis Ende September droht die Expressbuslinie X 1 im Stau des Berufsverkehrs auf der B 14 zwischen Neckartor und Bad Cannstatt hängen zu bleiben. So lange darf der Bus die extra und mit viel Aufwand für ihn eingerichtete Sonderspur in der Cannstatter Straße nicht mehr benutzen. Paradoxerweise ist dafür die neue, nur 300 Meter lange Busspur verantwortlich, die am Samstag am Neckartor markiert wurde. Die Busspur-Posse ist Folge eines Streits zwischen Stadt und Verkehrsministerium um Maßnahmen zur Luftreinhaltung. „Aus Sicherheitsgründen kann der Expressbus die bisherige Spur nicht mehr anfahren“, sagt Stadtsprecher Sven Matis. Also ausgerechnet die 800 Meter lange Sonderspur auf der Bundesstraße 14, auf der die neue Linie X 1 am Stau vorbei von und in Richtung Bad Cannstatt rollen konnte. Seit Montag muss sich der Bus in den normalen Verkehr einreihen. Und das alles nur, weil man auf Weisung des Regierungspräsidiums auf die Schnelle eine 300 Meter lange Busspur am Neckartor markieren musste?

Lösung erst im September

Das Problem ist die Kluft zwischen der neuen und der bisherigen Spur – die neue liegt stadtauswärts ganz rechts, dann geht es an der Kreuzung bei der Schwabengarage über drei Fahrspuren ganz nach links. Der Busfahrer bräuchte an der Kreuzung Cannstatter/Heilmannstraße also einige Sekunden früher freie Fahrt, um noch vor den Autos den 117 Meter langen Übergang zu überwinden. Dazu braucht es aber ein neu programmiertes Ampelprogramm mit zusätzlichen Signalgebern – und das dauert. „Das Tiefbauamt rechnet bis Ende September“, sagt Matis. Womöglich hätte man dies vorher besser planen können. Doch die neue Busspur am Neckartor ist bis heute umstritten – und gegen den erklärten Widerstand der Stadt entstanden. Das Regierungspräsidium hatte die Stadt mit einer fachaufsichtlichen Weisung dazu gezwungen – und am 24. Juni den Auftrag erteilt. Denn das Land steht selbst unter Druck. Nach einem Vergleich vor dem Verwaltungsgericht im Jahr 2016 soll der Verkehr am Neckartor um 20 Prozent reduziert werden – entweder mit einer Busspur, die den Autofahrern nur noch zwei von drei Fahrspuren lässt. Oder mit einem temporären Fahrverbot für Dieselautos bis Euro 5. Die Busspur erschien dem Land als das kleinere Übel.

Schon im Mai hatte die Stadt das Ampel-Problem für die Expressbuslinie X 1 erkannt. Aber nicht gehandelt. Haben die Stadtverantwortlichen also die Sonderlinie der Stuttgarter Straßenbahnen (SSB) sehenden Auges in den Stau geschickt? Als Revanchefoul gegen das Land? Matis weist dies zurück: „Wir haben Planungsbüro und Signalbauer rechtzeitig informiert“, sagt er. Der Planer sei im April „angesprochen“ worden, der Auftrag wurde aber erst am 24. Juni erteilt. Zwischen dem 10. Mai und dem 14. Juni hatte die Stadtverwaltung noch Widerstand gegen die Landespläne geleistet. Zum Thema der Ampelregelung mochte sich das Verkehrsministerium nicht äußern. Überhaupt sah Minister Hermann keine Probleme: „Jetzt kann man entspannt mit dem Bus auf einem eigenen Fahrstreifen am Stau vorbeifahren“, erklärte er per Pressemitteilung. Die betroffenen Stuttgarter Straßenbahnen halten sich mit Kritik zurück: „Die weiteren Auswirkungen sind noch nicht klar“, sagt SSB-Sprecherin Birgit Kiefer, „wir beobachten jetzt erst mal die Entwicklung.“

Beobachten will sie auch Rechtsanwalt Roland Kugler, der zwei Kläger für sauberer Luft vertritt und das 20-Prozent-Verkehrsminus erreichte. Eine Meinung dazu hat er gleichwohl: „Dass man sich bei der Stadt einen so hinhaltenden Widerstand leistet, erstaunt mich schon sehr“, sagt der Jurist. Und weiter: „Ich hätte erwartet, dass man das technische Problem mit der Ampel im Blick hat, man hatte bei der Stadt ja genügend Zeit dazu.“

Spur in die falsche Richtung?

Letztendlich entscheidend für einen weiteren Gerichtsgang sei, „ob die Grenzwerte vor dem Haus meines Klägers eingehalten werden“. Dazu, mutmaßt Kugler, hätte es eine Busspur stadteinwärts auf Kosten einer Autospur gebraucht. Der Verkehr soll nicht bei der Ausfahrt aus, sondern der Einfahrt in die Stadt gedrosselt werden. „Wir haben zu viel Individualverkehr in der Stadt und müssen die Zugangsschwelle dafür heben, so der Anwalt, der früher Stadtrat war und bei der Kommunalwahl im Mai auf der Liste der Grünen kandidierte. „Die Umsetzung der Busspur ist ein Armutszeugnis für die Stadt, die von ihrem Anwalt rechtzeitig darüber belehrt worden ist, dass sie dem von uns erzielten Vergleich Folge zu leisten hat“, so bewertet der Kläger Manfred Niess die aktuelle Situation. „Der Murks beim Radverkehr wird jetzt beim Busverkehr weitergeführt“, sagt Niess.