Ein stadtweites Tempolimit von 40 Kilometern pro Stunde soll helfen, dass die Stickoxid-Grenzwerte im Talkessel eingehalten werden. Foto: 7aktuell.de/Simon Adomat - 7aktuell.de/Simon Adomat

Die Landesregierung will flächendeckende Fahrverbote für Euro-5-Diesel trotz entsprechender Gerichtsurteile weiter hinauszögern. Andere Maßnahmen sollen Wirkung entfalten..

StuttgartNeue Gesichter im Rathaus – alte Probleme: Am Dienstag hat der neu zusammengesetzte Technikausschuss des Gemeinderats über den neuesten, vom Land vorgelegten Entwurf des Luftreinhalteplans debattiert. Der Entwurf sieht entgegen dem Beschluss des Stuttgarter Verwaltungsgerichts vom 18. Juli zumindest vorläufig keine flächendeckenden Fahrverbote für die Umweltzone im Talkessel vor. Stattdessen setzen die Landesregierung und das Regierungspräsidium auf die Sperrung einzelner durch Stickoxide aus Dieselfahrzeugen hoch belasteter Hauptverkehrsstraßen. In Stuttgart wären davon das Neckartor, die Pragstraße sowie die Hohenheimer und Hauptstätter Straße betroffen.

Vorgesehen sind außerdem die sukzessive Einführung eines generellen Tempolimits von 40 Kilometern pro Stunde in der Stadt, das Aufstellen von Filtersäulen im Bereich der Messstationen an besonders belasteten Straßenabschnitten sowie der Ausbau des Parkraummanagements. Auch Pförtnerampeln sollen helfen, den Verkehr in die Stadt zu dosieren. Das Land hofft, so im kommenden Jahr unter den seit 2010 geltenden EU-Stickoxidgrenzwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft im Jahresmittel zu kommen. Zumindest aber soll der von der Bundesregierung im Bundesimmissionsschutzgesetz eigenmächtig festgelegte Richtwert von 50 Mikrogramm unterschritten werden, um auf diesem Weg flächendeckende Fahrverbote zu umgehen. Falls dies nicht gelingt, sind laut Christoph Erdmenger vom Verkehrsministerium ab Mitte nächsten Jahres flächendeckende Fahrverbote auch für Euro-5-Dieselautos geplant. Der Leiter der Abteilung Mobilität zeigte sich aber vor dem Ausschuss optimistisch: „In Stuttgart ist die flächendeckende Einhaltung der Grenzwerte in Sicht.“ Kritiker wie die Deutsche Umwelthilfe bezweifeln das. Die Rathausspitze und OB Fritz Kuhn (Grüne) sowie eine Mehrheit des Ausschusses folgen mit ihrer Stellungnahme zum aktuellen Luftreinhalteplan im Wesentlichen den Plänen des Landes – mit diversen Einschränkungen und Anregungen. Lediglich Christoph Ozasek vom Linksbündnis sprach von „vorsätzlichem Rechtsbruch“, den das Land mit dem erneuten Hinauszögern flächendeckender Fahrverbote begehe. Es sei eine Schande, dass der grüne OB seine Parteifreunde in der Landesregierung dafür nicht kritisiere. Auch für Deborah Köngeter (Puls) mangelt es dem Land und der Stadt an Mut: „Wir wären eher für ein flächendeckendes Fahrverbot.“ SPD-Fraktionschef Martin Körner kritisierte die Verdrängungseffekte, die ein lediglich streckenbezogenes Fahrverbot mit sich brächte. So würde etwa ein Fahrverbot am Neckartor zur Überschreitung des CO2-Grenzwerts in der Talstraße führen und sei damit ebenfalls rechtswidrig, wie gerichtlich festgestellt. Körner forderte, die Auswirkungen eines streckenbezogenen Fahrverbots transparent aufzuschlüsseln. Die CDU verspricht sich zwar wenig Auswirkungen auf die Reduzierung der Stickoxid-Immissionen durch beschränkte Fahrverbote. „Deswegen kauft sich niemand ein neues Auto“, erklärte Fraktionschef Alexander Kotz. Die Union könne diesen Weg aber dennoch mitgehen. Sie sperrt sich aber gegen ein Tempolimit von 40 Kilometern pro Stunde. Mehr Wirkung erhofft sich Kotz von Pförtnerampeln an der Gemarkungsgrenze. Die FDP kann den Plänen des Landes gleichfalls zustimmen, die Freien Wähler hingegen lehnen auch begrenzte Fahrverbote ab. Die Grünen sehen die Vorschläge des Landes positiv, fordern aber zusätzlich weitere Anstrengungen beim Ausbau der Nahverkehrs sowie des Radwegenetzes. AfD-Stadtrat Burghard Korneffel sagte, seine Fraktion könne alle technischen Maßnahmen zustimmen, sei aber gegen Fahrverbote.

OB Kuhn räumte ein, dass die Stickoxid-Werte an den Messstationen am Neckartor (56), in der Hohenheimer Straße (55) und am Arnulf-Klett-Platz (45) noch immer zu hoch seien: „Wir werden aber besser.“ Ausdrücklich bezog sich Kuhn auf den von der Bundesregierung höher angesetzten, juristisch umstrittenen Richtwert von 50 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft. Dass die Stadt mit ihrer Zustimmung zur Fortschreibung des Luftreinhalteplans gegen geltendes Recht verstoße, weise er zurück, so Kuhn. Der Gemeinderat will am Donnerstag seine Stellungnahme, die lediglich empfehlenden Charakter hat, endgültig verabschieden.