Im Gewerbegebiet Raite in Renningen (Kreis Böblingen) werden neue Firmengebäude errichtet. Foto: factum/Granville - factum/Granville

Viele Städte und Gemeinden weisen die im Regionalplan vorgesehenen Flächen für Gewerbeareale nicht aus. Die Region will die Kommunen mit einem Fördertopf locken. Es gibt Zweifel, ob das klappt.

StuttgartZum Schluss war es knapp: Erst ein Beschluss des Esslinger Gemeinderats ermöglicht dem Schwertransportunternehmen Paule, das seinen Standort in Stuttgart-Obertürkheim aufgeben muss, den Umzug ins Gewerbegebiet Neckarwiesen an der B 10. Vom Rathaus hatte es noch eine Absage gegeben, weil Esslingens OB Jürgen Zieger eine Firma, die mehr Arbeitsplätze schafft, bevorzugt hätte. Doch nun scheint die langwierige Suche von Paule beendet. Andere Firmen fahnden aber weiter nach freien Flächen. In den Region Stuttgart ist das ein schwieriges Unterfangen. Schon vor einem Jahr hatte der regionale Wirtschaftsförderer Walter Rogg Alarm geschlagen. „Wenn wir keine Flächen für Industrie und Gewerbe zur Verfügung stellen, stehen wir vor dem wirtschaftlichen Niedergang“, sagte er damals.

Da der meistens gut gelaunte Rogg nur selten in die Rolle der Kassandra schlüpft, blieb der Satz nicht folgenlos. Spätestens seitdem sucht die Region nach Wegen, wie sie die Ausweisung von Gewerbeflächen, über die allein die Kommunen entscheiden, fördern kann. Jetzt gibt es ein erstes Ergebnis: Ein mit drei Millionen Euro dotiertes Kofinanzierungsprogramm über fünf Jahre soll die Umsetzung von Gewerbegebieten beschleunigen.

Roggs alarmierende Bestandsaufnahme Mitte 2017 bestand nur aus zwei Zahlen: Bei einem jährlichen Bedarf von rund 100 Hektar neuen Gewerbeflächen umfasste das Angebot der regionalen Wirtschaftsfördergesellschaft (WRS) damals gerade 97 Hektar sofort bebaubare Grundstücke. Ein Jahr später, Stand Juli 2018, hat sich die Situation kaum verändert: Nun hat die WRS 101 Hektar Neubauflächen im Angebot. „Angesichts der hohen Nachfrage ist die Situation auf keinen Fall besser geworden, sie hat sich eher verschlechtert“, sagt Rogg. Nach wie vor gebe es keine Reserveflächen.

Das liegt vor allem daran, dass rund 1300 Hektar Gewerbeflächen in der Region ausgewiesen sind, ein Großteil von ihnen wird jedoch von den Kommunen nicht überplant. Selbst von den 720 Hektar, die konkreter infrage kämen, wollen die Kommunen in den nächsten fünf Jahren nur 61 Hektar realisieren. Die Gründe dafür sind vielfältig: Sie reichen von unzureichender Verkehrsanbindung über Natur- und Bodenschutz sowie landwirtschaftlicher Nutzung und fehlender Verkaufsbereitschaft von Eigentümern bis zu Protesten von Anrainern, die mehr Verkehr und Lärm befürchten.

Was tun? Die Region kann selbst keine Gewerbeflächen ausweisen. Gutachter der Universität St. Gallen sollten Handlungsempfehlungen entwickeln. Davon übernommen hat die Region moderate Instrumente wie neue regionale Gewerbeschwerpunkte ausweisen, Flächen als strategische Vorhaltestandorte sichern, Städte und Gemeinden beraten, einen regionalen Gewerbeflächendialog etablieren. Das war der WRS zu wenig, die vorschlug, „die Sicherung und Aktivierung regionalbedeutsamer Gewerbeflächen“ finanziell zu fördern. Das hat der Wirtschaftsausschuss der Regionalversammlung nun auch einstimmig beschlossen – allerdings durchaus mit Skepsis. Reine Mitnahmeeffekte müssten verhindert und nur Projekte unterstützt werden, die auf die Hilfe angewiesen seien und eine regionale Besonderheit darstellten. Zudem warnten die Grünen und Linken auf der einen Seite vor einem zu großen Flächenverbrauch, kommunale Praktiker bezweifelten hingegen die Wirksamkeit.

Mehr Mut gefordert

Weitaus mehr Mut von der Regionalpolitik fordert dagegen die Immobilienwirtschaft. In einem kaum beachteten Aufsatz im IHK-Magazin in diesem Frühjahr verlangte Axel Ramsperger, stellvertretender Vorsitzender des Vereins Immobilienwirtschaft Stuttgart (IWS), „sich nicht nur am eigenen Kirchturm auszurichten“, sondern: „Für genügend Gewerbeflächen zu sorgen ist eine regionale Gemeinschaftsaufgabe.“ Ramsperger empfiehlt mehr interkommunale Gewerbegebiete zwischen Stuttgart und Leinfelden-Echterdingen, zwischen Filderstadt und Neuhausen sowie im Bereich Kornwestheim/Pleidelsheim. Standorte in Göppingen könnten besser eingebunden werden, so Ramsperger, der sich auch eine tatkräftigere Region wünscht: Dafür könnte eine regionale Umsetzungsgesellschaft gegründet werden. Das haben im Übrigen auch die Gutachter der Universität St. Gallen vorgeschlagen, die sich auch einen Lasten-Nutzen-Ausgleich vorstellen könnten – dass also Kommunen, die Gewerbe ansiedeln, einen Ausgleich von Nachbarkommunen erhalten, die das nicht tun, aber davon profitieren. Doch derartige Eingriffe in die kommunale Selbstverwaltung sind bei der Region tabu. Sie setzt auf Appelle – und einen neuen Fördertopf. Ob’s hilft?