31.7.2019 Im Fasanenhof ist ein Mann auf offener Straße erstochen worden. Der Täter ist geflohen.

 Foto: SDMG

Nach dem grausamen Tod eines 36-Jährigen auf offener Straße in Stuttgart-Fasanenhof wird der Tatverdächtigte verhört. Dabei geht es auch um seine wahre Identität.

StuttgartEinen Tag nach der grausamen Bluttat auf offener Straße im Stadtteil Stuttgart-Fasanenhof sitzt der Tatverdächtige beim Haftrichter. Offiziell ist er 28 Jahre alt, syrischer Staatsangehöriger, lebt seit 2015 in Deutschland. Doch ob der Mann, der seinen 36-jährigen Bekannten mit einem Schwert mit mehreren Hieben und Stichen tötete, wirklich derjenige ist, als der er sich ausgibt – auch das gehört nun zu den Ermittlungen der Mordkommission. Womöglich stammt er in Wirklichkeit aus Jordanien. Wer ist der Tatverdächtige wirklich? Noch immer gibt es nur Puzzlestücke einer grauenvollen Tat, die Anwohner und Passanten in der Fasanenhofstraße miterleben mussten, ohne helfen zu können. Mit Smartphone gefilmte Videos zeigen einen glatzköpfigen Mann, der am Mittwoch kurz vor 18.15 Uhr ein Schwert mehrfach mit voller Wucht in den Körper seines Opfers wuchtet. Ein 42-jähriger Nachbar, der noch helfen will, ist entsetzt über den Anblick des blutüberströmten Opfers.

Die Tat spielte sich vor einem großen Wohnblock ab, in dem offiziell 207 Menschen gemeldet sind. Dort sollen auch Täter und Opfer einige Zeit zusammen gewohnt haben. Eine Männer-WG sozusagen. Allerdings ist der Mann, dessen angeblicher Name Issa M. nun auch unter die Lupe genommen wird, dort schon länger nicht mehr wohnhaft. „Der Tatverdächtige ist schon vor geraumer Zeit ausgezogen“, bestätigt Polizeisprecher Johannes Freiherr von Gillhaußen. Am Mittwoch muss er also zu Besuch gewesen sein. Allerdings mit einem Schwert.

Eine Bewohnerin erzählt, dass sie und ihr Mann nicht zu Hause gewesen seien, als es passierte. Die Wohngemeinschaft im vierten Stock kennt sie ganz gut. Da habe es schon in der Vergangenheit Streit gegeben, sagt sie. „Und die Polizei ist kürzlich schon mal da gewesen.“ Genau lässt sich das nicht mehr zuordnen. Die Polizei muss in Stuttgart täglich häufiger zu Hausstreitigkeiten und Ruhestörungen ausrücken. Das wird selten extra vermeldet.

Fahndung mit Hubschrauber

Für größeres Aufsehen in der Fasanenhofstraße hatten zuletzt sechs Jugendliche gesorgt, als sie Mitte Juni einen Zigarettenautomaten mit einem Stein aufbrechen wollten. Ein aufmerksamer Passant hatte die Polizei alarmiert. Sachbeschädigung, kein dramatischer Fall.

Am Mittwoch nach 18 Uhr kommt es dann zu dem verhängnisvollen Streit zwischen dem 36-jährigen Bewohner und seinem einstigen Mitbewohner. Warum hast du das getan? Das sollen die Worte des Schwert-Mannes gewesen sein, als er offenbar blindwütig mit seinem Schwert zuschlägt. Das Opfer hat keine Chance – und verblutet an den Wunden. Der Täter eilt nordwärts davon. Zeugen weichen ihm aus, er beachtet sie nicht. Die alarmierte Polizei leitet mit mehreren Streifenwagenbesatzungen eine Großfahndung ein, und ein Polizeihubschrauber kreist über dem Quartier am Rande von Autobahn 8 und Bundesstraße 27 im Süden der Stadt.

Die Polizei fahndet nach einem Tatverdächtigen, der in der Vergangenheit wegen Straftaten aufgefallen ist. Unter seinem Namen spuckt der Polizeicomputer Delikte aus, über die man „keine Angaben“ machen will.

Ob der Name Issa M. der richtige ist, das ist allerdings zweifelhaft. Im Jahr 2015 war er nach Deutschland gekommen, als angeblicher syrischer Flüchtling. Doch daran gibt es erhebliche Zweifel. Auch das Landeskriminalamt ist eingeschaltet. „Wir unterstützen die Ermittlungen zu konkreten Fragestellungen“, bestätigt LKA-Sprecher Ulrich Heffner. Mehr könne er dazu nicht sagen. Auch die Ermittler der Stuttgarter Kripo sind vorrangig damit beschäftigt, die Beweismittel für einen Haftbefehl am Donnerstagnachmittag zusammenzubringen. Wie aus Polizeikreisen zu erfahren ist, könnte der angebliche 28-jährige Issa M. auch ein Mann sein, der in Wirklichkeit 30 Jahre alt ist – und ein jordanischer Palästinenser. Als solcher wäre ein Asylantrag freilich aussichtslos gewesen. Der palästinensische Issa M. jedenfalls will über Hamburg nach Berlin gezogen sein. Und seine Einträge in sozialen Netzwerken sind voll islamischer Glaubensbekenntnisse.

Der letzte Eintrag des jordanischen Issa erfolgte offenbar am Mittwoch gegen etwa 17 Uhr, gut eine Stunde vor der Tat – mit dieser Botschaft: „Im Namen des Allmächtigen und Barmherzigen, mit jedem Atemzug kommen wir dem Tode näher. Vertraue nur auf Gott.“ Ein Angehöriger seiner Fangemeinde, die auffallend häufig im Gebiet der Golanhöhen nahe der israelischen Grenze ansässig ist, antwortet darauf: „Gott beschütze dich, mein Herz.“

Tatmotiv im persönlichen Bereich?

Ein Schwert-Mann mit einem Doppelleben – das weckt schlimme Erinnerungen an eine Bluttat in Stuttgart, die nächste Woche ihren 30. Jahrestag erlebt: Den Mord auf der Gaisburger Brücke, bei dem am 8. August 1989 zwei Polizeibeamten ums Leben kamen. Ein Mann aus Liberia, der auf der Brücke in eine Polizeikontrolle geraten war, hatte die Beamten mit einem Bajonett niedergestreckt, ehe er selbst durch Polizeikugeln getötet wurde. Bei den Ermittlungen stellte sich heraus, dass es sich bei dem angeblichen Albert Ament in Wirklichkeit um einen Mann aus Kamerun namens Frederic Beyida-Otomo handelte, der offenbar seine Abschiebung befürchtete.

Das Motiv der Bluttat dürfte im persönlichen Bereich liegen – eine Beziehungstat. „Ein islamistischer oder politischer Hintergrund ist nicht erkennbar“, so die Polizei. Als der Tatverdächtige am Mittwoch gegen 20.45 Uhr wenige Hundert Meter vom Tatort entfernt auf einem Spazierweg an der unteren Körschmühle festgenommen wurde, leistete er keinen Widerstand. „Er war“, so Polizeisprecher von Gillhaußen, „relativ kooperativ.“