Besenbesitzer Andreas Linzenmeyer fällt auf: In Stuttgart bleiben die Äpfel oftmals liegen und vergammeln. Ein trauriges Bild, findet er. Foto: LG/Schmidt - LG/Schmidt

Äpfel im Überfluss und kaum einer,der sie erntet: Für Besenbesitzer Andreas Linzenmeyer liegt das vor allem am geringen Kilopreis, den man mit den Früchten in diesem Jahr erzielt.

StuttgartWer in diesen Tagen viel an der frischen Luft unterwegs ist, dem bietet sich fast überall das gleiche Bild: Haufenweise liegen Äpfel unter den Bäumen auf den Streuobstwiesen und warten darauf, aufgelesen zu werden. Dass das noch passiert, ist unwahrscheinlich; einerseits, weil die Apfelernte in der Regel von Mitte September bis Mitte Oktober andauert und dementsprechend schon vorüber ist. Andererseits, weil Äpfel heute oft überhaupt nicht mehr aufgelesen werden. Diese Beobachtung macht Wirt Andreas Linzenmeyer, Inhaber des ersten Stuttgarter Mostbesens in Heumaden.

Im Gespräch mit dem 59-Jährigen wird klar: Das Geschäft mit Apfelsaft und Most ist wenig profitabel. „Die Apfellese lohnt sich für viele einfach nicht, wenn man nur etwa acht Euro für 100 Kilogramm Äpfel bekommt.“ Aufwand und Ertrag stünden hier in keinem Verhältnis. „Dazu kommen noch die Kosten für den Sprit und der Zeitaufwand, um die Äpfel in eine Mosterei zu bringen“, erläutert Linzenmeyer. Wer statt des Geldes lieber den Apfelsaft zu einem günstigeren Preis abnimmt, hat zwar ein gutes Naturprodukt, doch auch diese Variante ist laut Linzenmeyer wenig attraktiv. „Die Leute trinken einfach nicht mehr so viel Apfelsaft und Most wie früher, weil sie heute mehr Auswahl haben“, sagt er. In Stuttgart, so der 59-jährige Besenbetreiber, ist die Apfelernte besonders mühsam. „Die Lage der Apfelbäume ist problematisch. Oft stehen sie am Hang, das macht die Ernte schwierig“, sagt er. Vor allem deshalb, weil keine Traktoren eingesetzt werden können und die Äpfel stattdessen aufgelesen werden müssten, wenn sie herunterfallen. „Es kann dann schon mal sein, dass man jeden zweiten Tag rumlaufen muss.“ In anderen Gegenden sei das anders. Dort würden Traktoren mit Schüttelvorrichtungen eingesetzt, um die Äpfel vom Baum zu holen. „Bei einem Mal schütteln fallen da schon mal 100 Kilogramm Äpfel runter“, schätzt Andreas Linzenmeyer.

Markus Gaspar aus Hohenstadt im Landkreis Göppingen, der seit Jahren Most für den Privatgebrauch herstellt, gibt Linzenmeyer recht: Auf der Schwäbischen Alb werde noch verhältnismäßig viel Most gemacht, weil private Wiesenbesitzer ihre Äpfel direkt vor der Haustüre beim Familienunternehmen Burkhardt Fruchtsäfte in Laichingen-Machtolsheim im Alb-Donau-Kreis abgeben könnten. Im Vergleich zu früher zeichne sich allerdings auch dort ein trauriges Bild: „Viele Leute lassen die Äpfel inzwischen verrecken, früher hätte es das nicht gegeben.“

Laut dem 44-Jährigen liegt das vermutlich daran, dass die Menschen die zusätzliche Arbeit scheuen und mehr Geld zur Verfügung haben. Alles würde im Supermarkt gekauft, das sei bequemer. Gleichzeitig weiß er aber: „Wir hatten dieses Jahr einen außergewöhnlichen Sommer mit vielen Äpfeln.“ Selbst er habe nicht alle Früchte von den Bäumen geschüttelt. Auch Alexander Mayer vom Familienunternehmen Mayer Fruchtsäfte, das für den Stuttgarter Apfelsaft bekannt ist, merkt an, dass das Jahr 2018 in Sachen Apfelernte ein Ausnahmejahr und das „krasse Gegenteil“ zum vergangenen Jahr war: „Wir haben letztes Jahr in der Zeit von Ende August bis Ende Oktober so viele Äpfel verarbeitet wie dieses Jahr an einem Tag.“ Dementsprechend sei es auch nicht besonders verwunderlich, wenn mehr Äpfel liegen blieben, denn der Großteil seiner Kundschaft lasse sich die Äpfel als Lohnware gutschreiben und in Form von Apfelsaft auszahlen.

„Keinen Bock mehr“

Seine Vermutung: „Ich denke, die Leute hatten aufgrund der Masse an Äpfeln einfach irgendwann genug Gutscheine zusammen und hatten – ich sag’ es jetzt einfach mal ganz salopp – keinen Bock mehr.“ Stirnrunzeln bereitet Mayer dagegen die Tatsache, dass vor allem die ältere Generation Äpfel erntet – Rentner und Frührentner, viele 60 plus. „Ich sehe es ja an meiner Kundschaft“, sagt er. „Das ist sicherlich längerfristig ein Problem, wenn sich niemand mehr zuständig fühlt, sich nach Äpfeln zu bücken“, gibt er zu bedenken. Auch Gaspar beobachtet: „Man sieht es den Streuobstwiesen an, wenn es einen Generationenwechsel gegeben hat und die alten Besitzer nicht mehr leben.“ Häufig seien die Wiesen vernachlässigt. Umso glücklicher ist Mayer wenn er noch Familien sieht, in denen die Apfelernte auch für Kinder eine Rolle spielt.