Die Mooswand ist eine der Maßnahmen, mit denen Stuttgart gegen die Feinstaubbelastung vorgeht. Foto: dpa Quelle: Unbekannt

Von Elke Hauptmann

Stuttgart - Es geht wieder los: Vom Wochenende an kann in der Landeshauptstadt bei extrem starker Luftverschmutzung erneut Feinstaubalarm ausgelöst werden. Autofahrer werden dann zum freiwilligen Umstieg auf Busse und Bahnen aufgerufen. Es ist bereits die dritte Alarmperiode in Stuttgart.

Vor einem halben Jahr, Mitte April, war in Stuttgart die zweite Feinstaubalarm-Saison zu Ende gegangen. Da es im Sommer nicht zu Wetterlagen kommt, die die Werte für Feinstaub hochtreiben - und weil kaum geheizt wird - ist die Luftreinhaltemaßnahme auf das Winterhalbjahr beschränkt. Denn dann findet oft über Tage hinweg im Talkessel kein ausreichender Luftaustausch statt. Steht die Luft und wird sie nicht von Regen ausgewaschen, schnellt die Belastung mit den gesundheitsschädlichen Feinstäuben aus Reifen- und Bremsenabrieb, Abgasen, Kaminen und aus der Industrie nach oben.

Theoretisch könnte ab 15. Oktober der erste Alarm gelten - und zwar dann, wenn der Deutsche Wetterdienst eine entsprechende Witterungslage voraussagt: Sehen die Experten an mindestens zwei aufeinanderfolgenden Tagen stark eingeschränktes Austauschvermögen der Atmosphäre, sollte man in Stuttgart auf das Auto verzichten und stattdessen auf umweltfreundliche Verkehrsmittel umsteigen. Der Betrieb von sogenannten Komfort-Kaminen, die nur als zusätzliche Wärmequelle dienen, ist bei Feinstaubalarm untersagt.

Diese Maßnahme ist nicht nur bundesweit einmalig - laut dem Deutschem Städtetag gibt es das in keiner anderen Großstadt. Sie ist auch weiterhin umstritten, denn nachhaltig verbessert wurde die Luft in der Stadt dadurch nicht. In diesem Jahr wurde der von der EU festgelegte Höchstwert bereits gerissen. An maximal 35 Tagen im Jahr darf die Feinstaubkonzentration über dem Limit von 50 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft liegen. Bis zum 12. September wurden an der Messstation Neckartor aber bereits 39 Überschreitungstage verzeichnet. Im gesamten Jahr 2016 gab es an Stuttgarts neuralgischem Punkt 63 Tage mit zu hoher Feinstaubkonzentration.

Obwohl der Effekt auf die Luftbelastung mit Schadstoffen fraglich ist, hält die Verwaltung auch in diesem Winter am Alarmsystem fest. Die Saison dauert bis zum 15. April. Beim letzten Mal galt an gut einem Drittel der Tage im Winterhalbjahr Feinstaubalarm - 13 Mal hatte die Stadt jeweils mehrtägigen Alarm ausgerufen, insgesamt gab es innerhalb von sechs Monaten 85 Alarmtage.

Die Anzahl zu reduzieren, ist erklärtes Ziel von Oberbürgermeister Fritz Kuhn. Mit zahlreichen Maßnahmen versucht die Stadt, die Schadstoffbelastung zu reduzieren - unter anderem wurde entlang der Cannstatter Straße eine Mooswand errichtet. Auch die Nass-Straßenreinigung rund ums Neckartor wird in diesem Winter wieder eingeführt. Vor allem aber will man die Pendler zum Umsteigen motivieren: Während der gesamten Alarmsaison gilt ein neues Umwelttagesticket, das das bisherige Feinstaubticket ablöst. Für ein bis zwei Zonen kostet das Umweltticket ab 15. Oktober 4,50 Euro (statt 6,90 Euro), für drei bis vier Zonen 7,70 Euro (statt 11 Euro) und für das gesamte Netz 12,10 Euro (statt 15,30 Euro). Zuvor waren an Alarmtagen Einzel- und Viererfahrscheine um die Hälfte billiger gewesen - doch das war den Verantwortlichen unterm Strich zu teuer. Die Feinstaubsaison 2016/17 habe Mindereinnahmen von elf Millionen Euro verursacht, hieß es beim Verkehrs- und Tarifverbund Stuttgart (VVS). Das neue Preismodell soll diesen Betrag in der nun beginnenden Alarmsaison auf vier Millionen Euro senken.

Um weitere, drastischere Maßnahmen zum Gesundheitsschutz wird man in Stuttgart in naher Zukunft nicht herumkommen. Land und Stadt sind nämlich verpflichtet, ab 2018 an Alarmtagen den Verkehr am Neckartor um 20 Prozent zu reduzieren. Das haben sie Anwohnern des Neckartors im April 2016 in einem gerichtlichen Vergleich zugesichert. Zudem hatte das Verwaltungsgericht Stuttgart Ende Juli erklärt, dass die vorgesehenen Maßnahmen für die Landeshauptstadt nicht reichen, um die verschmutzte Luft nachhaltig zu bessern. Um ein Fahrverbot für Dieselfahrzeuge, die nicht die Abgasnorm Euro 6 erfüllen, wird allerdings weiterhin gestritten. Über die Zulässigkeit dieser Maßnahme soll nun das Bundesverwaltungsgericht entscheiden. Doch schon im November verhandelt das Stuttgarter Verwaltungsgericht erneut über das Thema: Da das Land seiner Pflicht nicht nachkommt, haben die Kläger einen Antrag auf Androhung eines Zwangsgeldes von bis zu 10 000 Euro gestellt.