Der Klinikbunker atmet den unseligen Geist der Weltkriegszeit. Foto: Lg/Julian Rettig - Lg/Julian Rettig

Die ehemalige Frauenklinik in Stuttgart-West bot während des Zweiten Weltkriegs 220 Patienten, Ärzten und Pflegekräften Schutz.

StuttgartMeine Schwiegermutter musste in einer Nacht kurz vor der Geburt ihrer Tochter 13 Mal in den Bunker runter“, erinnert sich Ehrenfried Dressner an ihre Schilderungen. Die Tochter ist Dressners Schwägerin und erblickte 1943 in der damaligen Frauenklinik an der Bismarckstraße im Stuttgarter Westen mitten im Zweiten Weltkrieg während der Luftangriffe das Licht der Welt.

Erstmals ist am Samstag der Bunker der ehemaligen Frauenklinik für die interessierte Öffentlichkeit aufgemacht worden. Anlässlich des ersten Tages der offenen Tür, den das im frisch sanierten Gebäude residierende Gesundheitsamt veranstaltet hat, stellten Mitglieder des Vereins Schutzbauten Stuttgart den Bunkertrakt unter dem Krankenhausbau vor. „Der Bunker wurde in dem 1927 als Frauenklinik erbauten Gebäude 1941 infolge des Führersoforterlasses aus demselben Jahr angelegt“, sagt Jochen Schmaus, der den Besuchern die Räume im Untergeschoss nahebrachte.

Wegen des enormen Interesses mussten in den ersten Stunden mehr Führungen als geplant angeboten werden, „weil die Gruppen sonst zu groß gewesen wären“, wie Rolf Zielfleisch, Vorsitzender des Vereins, erklärte. Der Verein kümmert sich seit Jahren um den Erhalt, die Pflege und die Geschichte der Weltkriegs-Schutzbauten in Stuttgart. „Wir sind vom Gesundheitsamt gefragt worden, ob wir die Führungen anbieten möchten. Die Entscheidung, den Bunker zu öffnen, war absolut richtig: Er ist ein echter Besuchermagnet“, so Zielfleisch.

Gerne würde er auch in Zukunft Rundgänge durch die unterirdischen Schutzräume anbieten, um Besuchern zu ermöglichen, in die Geschichte des Gebäudes einzutauchen. Auch Amtsleiter Stefan Ehehalt kann sich vorstellen, den Bunker erneut für Besucher zu öffnen. „Wir sind aber nur Mieter des Gebäudes und müssen das mit der Stadt als Eigentümerin und dem Verein abstimmen“, so Ehehalt. Der Klinik-Bunker mit seinen zehn Räumen bot bei Luftangriffen bis zu 220 Personen Schutz. Das Krankenhaus war schließlich für 161 Patientinnen sowie 60 Ärzte und Pflegekräfte ausgelegt. So befanden sich neben Krankenzimmern, in denen jeweils bis zu zehn Betten untergebracht waren, ein Untersuchungs- und Geburtszimmer sowie ein Röntgenraum in dem unterirdischen Gebäudetrakt, der einst über zwei Gasschleusen verfügte. Einer der beiden Zugänge ist heute allerdings nicht mehr nutzbar, da er zubetoniert wurde.

Einen Raum für die Sterilisation von Operationsbesteck gab es ebenso wie eine Technikzentrale, Sanitär-, Personal- und Abstellräume. Auch über eine Heizung verfügte der unterirdische Trakt. Diese sei aber wohl kaum genutzt worden, „denn wenn hier mal 200 Personen drin sind, dann wird es schnell recht warm.“

„Das war zuletzt eine ziemliche Rumpelkammer“, sagt Rolf Zielfleisch, der mit Leuten seines Vereins die Räume mit Gegenständen der Kriegszeit ausgestattet hatte: Eine Trage, Gasmasken und Helme waren im Bereich der Schleuse zu sehen, ein Stuhl zur gynäkologischen Untersuchung, „der vermutlich auch bei Geburten zum Einsatz kam“, so Schmaus, war ebenso zu entdecken wie eine OP-Liege mit OP-Besteck daneben, Schüsseln aus Emaille und einem originalen Halter für Infusionen.

Schmaus machte die Besucher bei den Touren auch auf die technischen Besonderheiten des Bunkers aufmerksam. So wurde der Zugang verwinkelt gestaltet, um möglichen Druckwellen besser Stand halten zu können. Im Inneren des Bunkers, der über ein eigenes Lüftungssystem verfügte, herrschte zudem ein ständiger Überdruck, um eine Kontamination der Luft zu verhindern, falls in der Luft außerhalb des Bunkers Giftstoffe enthalten gewesen wären. Die Wasserversorgung wurde über einen eigenen Brunnen gewährleistet, die Stromversorgung über ein eigenes Notstromaggregat. Beeindruckend für die Besucher: Teile der Decken und Wände sind mit fluoreszierender Farbe gestrichen, die bis heute beim Erlöschen des Lichtes eine Grundhelligkeit erzeugt.