Die Stammzellenspenderin Justin Wolf (Zweite von links) ist mit ihrem Freund Daniel Miersch und Sohn Till nach Stuttgart angereist. Sehr zur Freude von Eva Fidler, Tochter Emilia und Ehemann David (rechts). Foto: DKMS Quelle: Unbekannt

Von Sebastian Steegmüller

Stuttgart - Blutkrebs, im Juni 2014 erhielt Eva Fidler mitten in der Schwangerschaft diese Schockdiagnose. Monatelang wurde nach einem passenden Knochenmarkspender gesucht und schließlich vor etwas mehr als zwei Jahren eine 18 Jahre alte Frau gefunden, deren Stammzellen passten. Am vergangenen Wochenende hat die 27-Jährige ihren „Engel“ getroffen.

Eva Fidler hatte sich festvorgenommen, beim ersten Treffen mit Justin Viktoria Wolf nicht zu weinen. Als sie ihrer 20-jährigen Lebensretterin jedoch im Mercedes-Benz-Museum gegenüberstand, flossen dann doch die Tränen. Wenig später lagen sich die beiden Frauen in den Armen.

Für das Treffen ist Wolf extra mit ihrem Freund und dem gemeinsamen kleinen Sohn aus Anklam in Mecklenburg-Vorpommern nach Stuttgart gereist. Ein Treffen, das nicht zwingend stattfinden muss. Grundsätzlich bleiben sowohl Spender als auch Empfänger zunächst anonym. Erst wenn beide Seiten es wünschen, stellt die Deutschen Knochenmarkspenderdatei (DKMS), eine gemeinnützige GmbH, nach frühestens zwei Jahren den Kontakt her.

Im konkreten Fall wollten sich die beide Frauen jedoch kennenlernen. „Ich bin sehr glücklich, dass ich ihr helfen konnte“, sagte Wolf, die vom Treffen, an dem auch Eva Fidlers engster Bekanntenkreis und Familienmitglieder teilnahmen, überwältigt gewesen sei. „So viel Herzlichkeit und Nächstenliebe. Ich kann das, was ich fühle, gerade gar nicht in Worte fassen.“ Die Spenderin ließ sich knapp ein Jahr vor der Transplantation auf Usedom registrieren - kurz nach ihrem 18. Geburtstag und eigentlich nur, um dem Geburtstagswunsch ihrer Schwester nachzukommen.

Auch Eva Fidler war tief beeindruckt von ihrem Gegenüber. „Es ist Wahnsinn, sie ist solch ein herzensguter Mensch.“ Sie kennenzulernen, sei einfach schön gewesen. „Viele Freunde, die mich damals bei der Registrierungsaktion unterstützt haben, waren dabei.“ Wie berichtet hatte Eva Fidlers beste Freundin Sara Strohecker unter dem Motto „Ich liebe meine Mama“ gemeinsam mit der DKMS und 100 Helfern mehr als 3400 Menschen mobilisiert, um sich im Mercedes-Benz-Museum registrieren zu lassen. Bis heute sind aus dieser Aktion bereits elf Spender hervorgegangen.

Die 27-Jährige gilt übrigens auch mehr als zwei Jahre nach der Transplantation nicht als geheilt. „Das gibt es bei Blutkrebs nicht. Die Wahrscheinlichkeit, dass ich wieder erkranke, ist jedoch verschwindend gering.“ So langsam fühle sie sich auch wieder etwas fitter. Sie habe beispielsweise bei der Vatertagshocketse der Schlossgeister in Mühlhausen geholfen und gedacht, dass die Arbeit ihr zu anstrengend sei. „Das Gegenteil war jedoch der Fall, ich bin richtig aufgeblüht.“ Sobald ihre Tochter im Herbst im Kindergarten sei, wolle sie in der Zahnarztpraxis ihres Vaters einsteigen. „Mich unter anderem halbtags um die Buchhaltung kümmern.“ Auch für den Sommer habe sie einen großen Plan: ihre Lebensretterin besuchen. „Ich war noch nie an der Ostsee, habe aber schon während meiner Krankheit davon geträumt, nach meiner Genesung dort hinzufahren. Dass meine neuen Stammzellen ausgerechnet von dort kommen, ist unglaublich.“