Die Mitarbeiter der SSB modernisieren im Zuge der Generalüberholung einen entkernten Stadtbahnwagen.Archiv Foto: SSB AG Quelle: Unbekannt

Von Janey Olbort

Stuttgart - Der Zug 4221 ist raus. Gestern verließ der letzte von insgesamt 76 Stadtbahnwagen, die seit 2008 von der Stuttgarter Straßenbahnen AG (SSB) generalüberholt wurden, die Hauptwerkstatt in Möhringen. Modernisiert wurden Züge der Baureihe von 1986 bis 1996.

Vor rund neun Monaten fuhr der Stadtbahnwagen mit der Nummer 3221 der SSB zur Generalüberholung in die Hauptwerkstatt in Möhringen. Bis dato hatte der Zug in 20 Jahren rund zwei Millionen Kilometer im Stuttgarter Stadtbahnnetz zurückgelegt - höchste Zeit für eine Verjüngungskur. Zunächst wurde der 56 Tonnen schwere Doppeltriebwagen der ersten Generation von Mechanikern in seine Einzelteile zerlegt. Dass die gelben Stadtbahnwagen bis auf die letzte Schraube auseinander genommen und vollständig modernisiert werden, ist SSB-Sprecher Hans-Joachim Knupfer zufolge „eine Seltenheit“.

Bei der Auffrischung wurden zunächst die Bleche abmontiert und die Karosserie neu lackiert. Anschließend wurden die Züge vollständig entkernt. Die Mechaniker entfernten das Innenleben, wie etwa die blauen Polstersitze oder die Haltestangen sowie die Verkleidung der Innenwände, sämtliche Kabel - rund 50 Kilometer Gesamtlänge pro Fahrzeug - sowie die Elektronik. Das „nackte“ Gerippe wurde anschließend mit neuer Technik wie moderner Elektronik, etwa Displays für das Fahrgastfernsehen oder halogenfreien Kabeln versehen. Ebenso wurden die elektrischen Schaltbaugruppen erneuert, von der Elektromechanik mit den „klickenden“ Relaisschaltungen hin zur Leitungselektronik. „Die eingebauten Teile sind verschlissen und Ersatz baut derzeit niemand mehr“, sagte der Projektverantwortliche Robert Tomasek. Deshalb war eine Erneuerung dieser Teile unausweichlich.

Im Innenraum wurden Sitzpolster, Bodenbelag und Scheiben erneuert. Auch außerhalb des Fahrgastraums wurde modernisiert und Fahrersitze, die aktuellen ergonomischen Anforderungen entsprechen, und Klimaanlagen eingebaut. „Man hat nicht das Gefühl, in ein 20 Jahre altes Fahrzeug einzusteigen“, sagte Thomas Moser, Leiter des Bereichs Schienenfahrzeuge, als er gestern in der SSB-Hauptwerktstadt vor dem Zug, der nach der Generalüberholung nun die Nummer 4221 trägt, stand.

Die Prozedur ist mit 1,3 Millionen Euro deutlich günstiger als eine Neuanschaffung, für die die SSB derzeit rund vier Millionen Euro bezahlen müsste. Da sich die Anzahl der Hersteller verringert habe, seien die Preise für Stadtbahnen in der Vergangenheit massiv gestiegen, sagt Moser und eine Rückgabe der 76 Fahrzeuge sei nicht mehr möglich gewesen. Deshalb habe man sich für die Generalüberholung an der insgesamt 30 Mitarbeiter beteiligt waren, entschieden. Trotzdem werden ständig weiter Fahrzeuge gekauft, da die aktuell 204 Züge umfassende Flotte, auch aufgrund des Netzausbaus ständig vergrößert wird.

Nach der Modernisierung sollen die Züge noch 20 Jahre fahren, sagte Moser. Dies sei eine Herausforderung, wenn man bedenke, wie rasant sich die Technik weiter entwickle und was bis dahin der Stand der Technik sein werde. Ob sich im Jahr 2037 eine erneute Generalüberholung lohne, sei deshalb noch offen. Den Mechanikern der Werkstatt in Möhringen geht trotz Abschluss des Projekts jedoch keinesfalls die Arbeit aus. Einerseits werden die Züge, die jährlich rund 100 000 Kilometer zurücklegen, alle 20 000 Kilometer gewartet. Andererseits könnte demnächst eine weitere Generation von Stadtbahnzügen, die vor 17 Jahren ihren Dienst angetreten haben, für eine Generalsanierung in den Startlöchern stehen.