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Konstanz, Heidelberg, Karlsruhe und nun auch Stuttgart. Mit einem millionenschweren Paket will sich die Landeshauptstadt in Sachen Energie und Verkehr besser aufstellen.

Stuttgart (dpa/lsw)Baden-Württembergs Großstädte rüsten sich zunehmend für den Klimawandel: Nun will auch die Stadt Stuttgart den Klimaschutz in der schwäbischen Metropole mit einem millionenschweren Programm verbessern und sowohl die Energie- als auch die Verkehrswende schneller anschieben als bislang geplant. Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) stellt am Donnerstag (11 Uhr) dem Vernehmen nach ein Paket vor, das Änderungen in dreistelliger Millionensumme vorsieht. Es gehe darum, noch mehr Energie einzusparen, die Verkehrswende voranzutreiben und mehr Grün in die Stadt zu bringen. Der Gemeinderat muss noch über das Vorhaben entscheiden.

Das neue Paket füllt einen schon veröffentlichten «Masterplan» mit Inhalt und geht in Teilen darüber hinaus: In dem Plan hatte die Stadt das Ziel ausgegeben, bis zum Jahr 2020 im Vergleich zum Jahr 1990 rund 20 Prozent des Energieverbrauchs einzusparen. Außerdem sollte ein Anteil der erneuerbaren Energien am Verbrauch von 20 Prozent erreicht werden.

Vor allem im Sommer kämpft die Metropole mit Hitze und schlechter Luft, die die Stadt auch auf den Klimawandel zurückführt. Wiederholt gibt es Feinstaubalarm im Stuttgarter Kessel, bei dem die Bürger gebeten werden, ihre Autos stehenzulassen und Busse und Bahnen zu nutzen. Einen großen Anteil des Energieverbrauchs macht der Verkehr aus. Dieser ist einer der großen Verursacher des klimaschädlichen Kohlendioxids. Zudem gibt es Probleme wegen alter Diesel-Fahrzeuge, die für hohe Stickoxidwerte mitverantwortlich gemacht werden.

Sichtbare Zeichen für den Klimaschutz haben andere Städte im Südwesten bereits gesetzt - und sie ähneln den Stuttgarter Plänen. In Konstanz und Heidelberg wurde zum Beispiel schon der Klimanotstand ausgerufen, KARLSRUHE will sich am 16. Juli entscheiden.

In KONSTANZ sollen Neubauten klimaneutral mit Energie versorgt werden. Zudem prüft die Kommune seitdem jede Entscheidung des Gemeinderats auf ihre Klimarelevanz. Die Anregung für den Beschluss kam von der Klimaschutzbewegung «Fridays for Future». Der Notstand sei zwar kein «Notstand» im eigentlich rechtlichen Sinne, erklärte die Gruppe damals. Durch die Ausrufung erkenne der Gemeinderat den Klimawandel aber als akute Bedrohung an und erkläre «die Eindämmung der Klimakrise und ihrer schwerwiegenden Folgen zur Aufgabe von höchster Priorität». Die Stadt sei auf einem guten Weg, sagten Vertreter der Konstanzer Ortsgruppe kürzlich.

Auch HEIDELBERG möchte die Emission von klimaschädlichem Kohlendioxid herunterfahren, bis 2050 im Vergleich zu 1990 um 95 Prozent. Schrittweise will die Stadt ihre Energieversorgung auf erneuerbare Quellen umstellen. «Wir haben mit unserer Klimaschutz-Politik bereits vieles erreicht», sagt Oberbürgermeister Eckart Würzner. «Von der Reduzierung des CO2-Ausstoßes von über 50 Prozent für kommunale Liegenschaften über den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs bis hin zur Stadt in Baden-Württemberg mit dem höchsten Radverkehrsanteil.» Mit der Ausrufung des Klimanotstands komme die Stadt ihrem Ziel schneller näher, dem Klimawandel entgegenzuwirken. «Das höchste Einsparpotenzial bringen die Bereiche Bauen/Wohnen, die Verkehrswende und die Energieträgerumstellung», sagte der OB.

In TÜBINGEN ist das Thema fast schon ein alter Hut: Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne) brachte nach seinem Amtsantritt 2007 die städtische Klimaschutzinitiative «Tübingen macht blau» auf den Weg. Ihre Etappenziele zur Reduzierung von Treibhausgasen hat die Stadt seither alle erreicht. Die «Fridays for Future»-Bewegung habe aber noch einmal einen Impuls durch alle politischen Gremien hinweg gesetzt, sagte Palmer. Am Montag beschloss der Tübinger Gemeinderat einstimmig, das Programm zu forcieren: Ziel ist ein klimaneutrales Tübingen von 2030 an. Das heißt, die Stadt soll keine energiebedingten Kohlenstoffdioxid-Emissionen mehr verursachen.

Palmer zufolge betrifft das die Bereiche Verkehr, Wärme und Strom. Er selbst will unter anderem den städtischen Busverkehr kostenfrei anbieten. Mittragen sollen das die Autofahrer: Palmer will flächendeckende Parkgebühren von 30 Euro monatlich erheben. Außerdem fordert Palmer eine Photovoltaik-Anlage auf allen Neubauten der Stadt und mehr Holzbauweise. Insgesamt ein kostspieliges Programm: Palmer schätzt, dass die Stadt bis zur Klimaneutralität im kommenden Jahrzehnt eine Milliarde Euro investieren muss.