Die Leiterin des Hauptzollamts Stuttgart, Angelika Kaag, wirft einen Blick auf einen Kessel in der Lehrbrennerei der Uni Hohenheim. Foto: Eisenmann Quelle: Unbekannt

Von Andrea Eisenmann

Stuttgart - Weniger ist mehr. Das gilt zumindest für die Arbeit des Hauptzollamts Stuttgart im Bereich Schwarzarbeit. Statt großflächige Kontrollen durchzuführen, wurde 2016 gezielt ermittelt, die „großen Fische“ ins Visier genommen. Mit Erfolg: Die aufgedeckte Schadenssumme stieg deutlich. Auch illegalen Schnapsbrennern, Schmugglern und Produktfälschern ist die Behörde auf den Fersen.

In Deutschland ist alles genau geregelt: Wann ein Schnapsbrenner den Kessel anheizen darf, wie viel in diesen hinein kommt. Und auch ein weiterer Punkt ist entscheidend: Welche Summe schuldet der Destillateur dem Staat, wenn er seinen Apfelbrand oder Vogelbeerengeist produziert. Thomas Seltmann gehört zu jenen Mitarbeitern des Hauptzollamts Stuttgart, die diesen Fragen nachgehen. Zu kontrollieren gibt es einiges: Stimmt die angemeldete Menge mit dem überein, was an Hochprozentigem tatsächlich erzeugt wird? Ist die Größe des landwirtschaftlichen Betriebs gegeben? Werden eventuell steuerliche Vergünstigungen erschlichen, zählt der Steueraufsichtsbeamte beispielhaft auf. Für das Hauptzollamt ist das „Abfindungbrennen“ ein Bereich von besonderer Bedeutung: Die Stuttgarter Zöllner sind bundesweit für die Annahme der Brennanmeldungen, die Erteilung der Erlaubnis sowie für die Steuererhebung zuständig. Vermutlich auch deshalb, weil mit 19 500 Brennereien der überwiegende Anteil der Betriebe in Baden-Württemberg angesiedelt ist. 22,26 Millionen Euro spülte die Branntweinsteuer dem deutschen Staat 2016 in die Kassen. Im kommenden Jahr könnte allerdings einiges anders werden: Das seit 1922 bestehende staatliche Monopol endet im Januar, die Existenz manches Kleinbetriebs steht dann auf der Kippe.

Der Stuttgarter Behörde mit ihren fünf Zollämtern dürfte die Arbeit dennoch nicht ausgehen. Allein im vergangenen Jahr fertigten die Beamten bei der Einfuhr Waren im Gesamtwert von etwa zehn Milliarden Euro für Unternehmen und Betriebe in der Region ab. Vier Millionen Ausfuhrsendungen wurden bearbeitet. Allerdings entpuppte sich dabei nicht alles als „koscher“: Verbotene Arzneimittel wurden ebenso entdeckt wie gefälschte Markenprodukte. Vielen technischen Geräten oder Spielzeugen fehlte das erforderliche Prüfsiegel. Am Flughafen Stuttgart entdeckten die Fahnder geschmuggelte Waren im Wert von 1,54 Millionen Euro - darunter Goldschmuck im Wert von 700 000 Euro. 650 000 unversteuerte Zigaretten wurden beschlagnahmt. Der gesamte Kofferinhalt eines Reisenden aus Moskau bestand aus 30 000 geschmuggelten Kippen. Ein Steuerschaden von mehr als 4500 Euro wurde mit dem Fund verhindert.

Sorgen bereitet den Stuttgarter Zollbeamten die Entwicklung des Fernreisebus-Marktes. Günstig und anonym unterwegs zu sein - dies wird verstärkt von Kriminellen ausgenutzt. „Aus diesem Grund führen wir regelmäßig Kontrollen auf der Autobahn und am neuen Omnibusbahnhof am Flughafen durch“, betont die Leiterin des Hauptzollamts, Angelika Kaag. Häufig stießen die Beamten auf unerlaubte Betäubungsmittel: 9600 Gramm Haschisch, 3300 Gramm Marihuana, 2450 Gramm Ecstasy wurden 2016 sichergestellt. Auch der Kampf gegen die Schwarzarbeit beschäftigte die Zöllner. So kontrollierten sie 7804 Personen (2015: 8423) an ihrem Arbeitsplatz, 884 Geschäftsunterlagen (2015: 988) wurden in den Betrieben geprüft. Den Schaden für die Sozialkassen beziffert die Behörde auf 21,4 Millionen Euro - im Jahr zuvor hatte sich die Summe auf 14,9 Millionen Euro belaufen. Der Erfolg rühre daher, dass bei Prüfungen nun verstärkt das Augenmerk auf die Aufdeckung organisierter Formen von Schwarzarbeit und illegaler Beschäftigung gelegt werde. „Wir fischen bewusst nach großen Fischen“, betont Kaag. Zufrieden zeigen sich die Verantwortlichen mit dem Prüfkonzept, das eigens für die Großbaustelle Stuttgart 21 entwickelt wurde. „Es macht uns stolz, dass wir gerade hier nur wenige Verstöße aufdecken mussten.“

Rekordergebnis

„Mit Steuereinnahmen in Höhe von 3,309 Milliarden Euro haben wir auf das Rekordergebnis des Jahres 2015 noch mal eine kleine Schippe drauflegen können“, kommentiert die Leiterin der Behörde, Angelika Kaag, den neuerlichen Einnahmerekord. Zum Hauptzollamt Stuttgart gehören die fünf Zollämter Böblingen, Flughafen, Hafen, Winnenden und Zuffenhausen, die Zahl der Mitarbeiter beträgt 585 Personen (Stand: Dezember 2016).