Stuttgart (eh) - Immer mehr Rentner sind von Überschuldung betroffen, stellt Reiner Saleth, der neue Leiter der Zentralen Schuldnerberatung Stuttgart (ZSB), fest. Nicht selten entstehe ein Teufelskreis, den die Betroffenen nicht mehr durchbrechen können, wenn sie nicht dabei unterstützt werden. Deshalb hat die ZSB für sie ein spezielles Projekt gestartet.

Ältere Menschen sind zunehmend von Überschuldung betroffen, weil ihre Rente nicht für ihren Lebensunterhalt ausreicht. „Die gestiegenen Kosten für Energie und die sehr hohen Mieten in Stuttgart verschärfen das Problem der Altersarmut zusätzlich“, sagt Saleth. Zwar sei den meisten Menschen vor Eintritt in das Rentenalter bekannt, dass sie finanzielle Einbußen hinnehmen müssen, doch nur wenige von ihnen würden sich Gedanken darüber machen, wie sich das konkret auswirkt, stellt man bei der ZSB fest. Etwa 130 Personen über 65 Jahre hatten sich im vergangenen Jahr beraten lassen oder waren zur Beratung angemeldet - angesichts der insgesamt 57 596 Menschen, die in Stuttgart als verschuldet gelten, ist das allerdings eine geringe Zahl. Geschuldet ist sie dem Umstand, dass sich ältere Menschen schwer damit tun, die ZSB aufzusuchen. Dabei wächst der Kreis der Betroffenen: Dem jüngsten Bericht der Auskunftei Creditreform zufolge ist die Schuldnerquote, also die Zahl überschuldeter Personen im Verhältnis zur Einwohnerzahl, bei den 60- bis 69-Jährigen von 6,35 Prozent in 2015 auf 6,78 Prozent im vergangenen Jahr gestiegen; bei den über 70-Jährigen von 2,11 auf 2,33 Prozent.

Mit Mitteln des Sozialministeriums konnte die Schuldnerberatung ein Konzept für die Beratung von älteren Menschen erstellen. Gelder der Caritas Gemeinschafts-Stiftung, der Vector-Stiftung und von eva’s Stiftung machen es nun für zwei Jahre möglich, nicht mehr nur in der ZSB, sondern auch dezentral Beratung anzubieten, um die Betroffenen besser zu erreichen. Langfristig sollen die speziellen Bedürfnisse älterer Menschen fester Bestandteil des Beratungsangebotes werden, sagt Saleth.

Überschuldung ist kein Einzelfall. Nach Angaben der Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung haben sich im Jahr 2015 wegen finanzieller Probleme mehr als 647 000 Personen in einer der bundesweit 1400 Schuldner- und Insolvenzberatungsstellen unterstützen lassen. Die Schuldenhöhe der beratenen Personen betrug durchschnittlich 34 400 Euro. Ausgelöst wird Überschuldung vor allem durch Arbeitslosigkeit und Trennung vom Partner oder wenn dieser verstirbt. Die Hauptursachen für Überschuldungen liegen tiefer: längerfristiges Niedrigeinkommen, gesundheitliche Probleme, fehlende Bildung.

„Die gemeinnützige Schuldner- und Insolvenzberatung muss gestärkt werden“, fordert Saleth. Das sei notwendig, um den bestehenden Bedarf zu decken und lange Wartezeiten zu vermeiden. Über 2000 Personen melden sich jährlich bei den Stuttgarter Experten, etwa 800 davon brauchen eine weiterführende Schuldnerberatung. Im Moment ist die Schuldnerberatungsstelle in der Lage, etwa 550 Beratungen im Jahr abzuschließen.

In den vergangenen Jahren hat sich die ZSB schon verstärkt um Menschen am anderen Ende der Altersskala gekümmert: Ehrenamtliche Finanzpaten gehen auf Jugendliche und junge Erwachsene zu. Das helfe, die Problematik von Verschuldung und der weitergehenden Überschuldung langfristig zu verringern, so Saleth. Das bestehende Angebot reiche jedoch trotz dieses Engagements nicht aus. „Notwendig ist der politische Wille, die finanzielle Kompetenz von Kindern und Jugendlichen stärker zu entwickeln und zu stärken; dafür entstehen höhere Kosten, die finanziert werden müssen.“ Die Gesellschafter der ZSB hoffen, dass die für den nächsten Haushaltsplan der Stadt gestellten Anträge, die Schuldnerberatung zusätzlich zu fördern, berücksichtigt werden. Die Zentrale Schuldnerberatung Stuttgart wird gemeinsam vom Caritasverband für Stuttgart, der Evangelischen Gesellschaft (eva) und der gemeinnützigen Gesellschaft Prävent Sozial getragen. Die Beratung ist für die Betroffenen kostenlos.