Andreas Kugler von der Ed. Züblin AG (links) und Volker Zahn vom ADAC Württemberg untersuchen eine der Mooswände. Bis Anfang 2020 wollen sie ermitteln, welche Pflanze sich optimal zur Feinstaubbindung eignet. Fotos: ADAC Württemberg Quelle: Unbekannt

Von Sebastian Steegmüller

Stuttgart - In der Cannstatter Straße, rund 800 Meter vom Neckartor entfernt, hat die Stadt im Februar eine Mooswand aufbebaut, die Schadstoffe binden soll. Immer wieder wurde kritisiert, dass der Abstand zum eigentlichen Feinstaub-Hotspot zu groß ist. Jetzt hat der ADAC Württemberg auf seinem Grundstück in unmittelbarer Nähe der Messstation drei Mooswände aufgebaut. Als Konkurrenz sieht man sich dennoch nicht.

„Wir verfolgen einen anderen Ansatz“, sagt Volker Zahn, der beim ADAC die Abteilung Verkehr und Umwelt leitet. In dem bis Anfang 2020 laufenden Projekt „MoosTex“ soll ermittelt werden, welches modulare Mooswandsystem zur Feinstaubbindung und Lärmminderung optimal geeignet ist. Der Standort Neckartor stelle zwar durch die hohe Feinstaubbelastung den optimalen Standpunkt zum Testen der Moose dar. Sie seien jedoch nicht explizit für den Einsatz in der Cannstatter Straße gedacht, sondern sollen künftig an jeder x-beliebigen Stelle mit hoher Verkehrsbelastung einen Beitrag zur Luftreinhaltung, Lärmreduzierung und Stadtbegrünung leisten.

Ziel des Projektes sei unter anderem, zu ermitteln, wieviel Schadstoffe die Pflanzen aufnehmen und letztlich auch abbauen können. Ist es möglich, deren Leistungsfähigkeit durch Züchtungen zu verbessern? Eine Anforderung an die Mooswand: Flexibel und wirtschaftlich muss sie sein. Die eine ideale Sorte wird es wohl nicht geben, zu unterschiedlich sind die Witterungsbedingungen im urbanen Raum. Gewisse Bereiche sehen nie die Sonne, andere Flächen sind wiederum komplett vor Wind oder Regen geschützt. Deshalb sind die drei Mooswände - jede einzelne ist 2,50 Meter hoch und einen Meter breit - auf dem Grundstück des ADAC in verschiedene Himmelsrichtungen ausgerichtet worden. Später könnten solche Elemente in Reihe stehen und eine geschlossene Wandbilden. Das ist nicht der einzige Unterschied zum großen Pendant an der B 14: So werden direkt am Neckartor neben verschiedenen Wandaufbauten auch unterschiedliche Bewässerungstechniken und Moosarten getestet. „Das Modularsystem dieser Wände ermöglicht es, die Systeme in unterschiedlichstem Straßenraumbereich zu integrieren und Moose bei Bedarf problemlos auszutauschen“, so Zahn.

„Für den ADAC Württemberg stehen die Gesundheit, die Umwelt und der Schutz jedes einzelnen im Mittelpunkt, daher freuen wir uns, dass wir dieses Projekt unterstützen können.“ Es sei eine Investition in die Zukunft. „Wir erachten es als wichtig und überaus sinnvoll, innovative Maßnahmen zur Feinstaubreduzierung zu erproben.“

Der Automobilklub prüft zwar Fahrzeuge eigenständig auf Herz und Nieren, im aktuellen Projekt, das von der Wirtschaftsförderung Region Stuttgart initiiert wurde, stellen sie jedoch nur den Standort zur Verfügung, die Forschung überlassen sie drei Firmen, die etwas mehr Erfahrung auf dem Gebiet haben: dem Pflanzenproduzent Helix Pflanzen, dem Deutschen Institut für Textil- und Faserforschung und der Baufirma Züblin.

„Sie begutachten die Moose regelmäßig vor Ort, nehmen Proben und werten die Daten schließlich auch aus“, sagt Zahn. Dazu greifen die Experten auch auf die Daten der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz (LUBW) zu, die die Messstation am Neckartor betreibt.

Das moos

(red) - Moose haben eine große Blattoberfläche, an der sie Feinstaub binden und verstoffwechseln können. Zudem sind sie besonders widerstandsfähig. Unter den in Deutschland verfügbaren Moosen hat sich nach Angaben von Botanikern das Graue Zackenmützenmoos, das auch von der Stadt in der Cannstatter Straße getestet wird, als die Art erwiesen, die am besten geeignet ist, Schadstoffe wie Feinstaub elektrostatisch festzuhalten. Es könne sogar Ammoniumnitrate, die bis zu 50 Prozent des Feinstaubs ausmachen, in Pflanzenmasse umwandeln. Laut Martin Nebel, dem Moos-Experten des Naturkundemuseums Stuttgart, gibt es weltweit 20 000 Moose, in Deutschland 1200 und in Baden-Württemberg 860. Das Stadtklima sei den Landpflanzen eigentlich deutlich zu trocken und zu warm. Um seine Umweltwirkung entfalten zu können, müssten sie stets feucht gehalten werden.