Die zur Pflicht gewordenen Braunen Tonnen bescheren der Landeshauptstadt wachsende Mengen an Biomüll. Foto: Peter Petsch - Peter Petsch

Die Abholung der Braunen Tonne läuft in Stuttgart noch nicht rund. Die Abfallwirtschaft Stuttgart räumt diese Probleme auch ein.

StuttgartDie Biotonne in Sillenbuch hat am Mittwochmorgen ein hübsches weißes Häubchen. Einsam steht sie an der Straße, noch gut gefüllt. Eigentlich hätte sie schon am Montag geleert sein sollen. Doch das ist nicht passiert. „Wir haben noch drüber gesprochen, ob wir sie nicht lieber wieder rausstellen sollen wie bisher“, sagt eine Hausbewohnerin. Doch nachdem die Abfallwirtschaft Stuttgart (AWS) über Monate angekündigt habe, dass das vom Jahreswechsel an nicht mehr notwendig sei, habe man darauf verzichtet. Nach einer telefonischen Beschwerde sei die Auskunft gekommen, man möge sie jetzt nachträglich doch noch an die Straße stellen. Und da steht sie seither – trotz dreier Anrufe bei der AWS. „Wieso kündigt die Stadt den Vollservice an und macht ihn dann nicht?“, fragt die Frau.

Seit vergangener Woche ist die bisherige Praxis passé, dass die Nutzer die Biotonnen selbst rausstellen müssen. Stattdessen holt die Abfuhr sie wie die Papier- und Restmülltonnen direkt vom Standort, sofern der den städtischen Vorgaben entspricht. Diesen Vollservice gibt es nicht umsonst. Die Gebühren für den Bioabfall steigen in diesem Jahr im Schnitt um 11,82 Prozent. Bei wöchentlicher Leerung kostet der kleinste Behälter damit jetzt 46,80 Euro, der größte 175,20 Euro.

Zufrieden mit Nutzungszahlen

Bei der AWS räumt man Probleme ein. „Wie bei jedem neuen System kommt es auch bei der Einführung des Vollservice Biotonne zu Anlaufschwierigkeiten. Häufig befinden sich die Biotonnen noch auf nicht satzungsgemäßen Standplätzen und sind somit für das Personal schwer oder nicht auffindbar“, sagt eine AWS-Sprecherin. Man bemühe sich, Rückstände zeitnah aufzuarbeiten. Um zu sagen, wie viele Nutzer die neue Praxis noch nicht verinnerlicht haben, sei es noch zu früh. Nach ersten Prognosen werde das Angebot des Vollservice aber „gerne angenommen“. Man habe, um Probleme zu vermeiden, seit Längerem ausführlich über die Umstellung informiert.

Allgemein ist man bei der Stadt sehr zufrieden, was die Nutzung der Tonnen betrifft. Zwischen 2014 und 2018 sind 31 500 zusätzliche Biotonnen aufgestellt worden, weil sie Pflicht geworden sind. Derzeit stehen rund 63 000 Stück. „Die Akzeptanz seitens der Bevölkerung ist nicht zuletzt aufgrund des umfangreichen Beratungsangebotes während der Umstellung sehr gut“, sagt die AWS-Sprecherin. Auch die Sortenreinheit des Materials sei bemerkenswert. Eine Analyse habe ergeben, dass nur etwa drei Prozent des Mülls in den Biobehältern nicht dorthin gehören.

Durch die Pflichttonne hat sich die Menge des gesammelten Biomülls in den vergangenen Jahren stark erhöht. Sind es 2014 noch 14 000 Tonnen gewesen, ist der Wert 2018 auf 25 000 Tonnen gestiegen. Derzeit wird das Material überwiegend bei beauftragten Verwertungsbetrieben kompostiert. Doch das soll sich bald ändern.

Nach zäher Suche hat die Stadt einen Standort gefunden, an dem sie den Biomüll künftig selbst nutzen will. Kurz vor Weihnachten hat sie bekannt gegeben, dass sie den Bau der 23 Millionen Euro teuren Vergärungsanlage jetzt europaweit ausschreibt. Die Anlage soll in Zuffenhausen stehen und Strom, Wärme und Kompost erzeugen. Sie soll eine Kapazität von 35 000 Tonnen jährlich haben, so dass noch Luft für größere Müllmengen als bisher bliebe. Läuft jetzt alles glatt, kann der Bau im Herbst beginnen. Von Mitte 2020 an ist ein Probebetrieb vorgesehen, der Regelbetrieb soll dann im Sommer 2021 anlaufen. Bis dahin sollten auch die Startschwierigkeiten beim Vollservice Geschichte sein.