Entwurf für den Hotelturm am Mailänder Platz. Visualisierung: Strabag Quelle: Unbekannt

Von Elke Hauptmann

Stuttgart - Stuttgart ist bei Touristen beliebter denn je: Mit 3,7 Millionen Übernachtungen und fast zwei Millionen Gästen wurden im vergangenen Jahr neue Rekordmarken erzielt. Dieser Boom wirkt sich auf den Hotelmarkt aus - es werden so viele Häuser gebaut wie nie. Doch wie viele Gästebetten verträgt die Landeshauptstadt?

Der Markt boomt: In der Landeshauptstadt sind in den vergangenen Jahren schon zahlreiche neue Hotels entstanden. Gab es 2009 noch 155 Beherbergungsbetriebe mit 16 878 Betten in Stuttgart, so haben im vergangenen Jahr schon 168 Hotels insgesamt 20 418 Betten für ihre Gäste zur Verfügung gestellt. 1980 waren es noch 8000. Ein Ende des Trends ist nicht absehbar, es herrscht derzeit „Goldgräberstimmung“ bei den Investoren: „Bis zum Jahr 2022 sind bereits weitere rund 5000 Hotelbetten in Bau oder in Planung“, berichtet Markus Hofherr, Vorsitzender der Kreisstelle Stuttgart des Hotel- und Gaststättenverbandes Dehoga.

Die Neubauprojekte - derzeit sind etwa 16 bekannt - verteilen sich auf das gesamte Stadtgebiet. Geplant sind Häuser in Bad Cannstatt ebenso wie auf dem Pragsattel und in Messe- und Flughafen-Nähe. Doch vor allem in der Innenstadt entstehen zahlreiche neue Häuser. So wird die Deutsche Hospitality im Europaviertel hinter dem Hauptbahnhof im September das „Jaz in the city“ (166 Zimmer) im Hochhaus Cloud No. 7 eröffnen, in der Nachbarschaft, neben der Stadtbibliothek am Mailänder Platz, will die Strabag Real Estate in einem zweiten 60-Meter-Turm ein Appartement-Hotel mit 180 Zimmern und ein Vier-Sterne-Haus mit 270 Zimmern errichten. Die Vorverträge mit den namentlich noch nicht genannten Betreibern sind bereits unterzeichnet, heißt es. Der Baubeginn soll Mitte nächsten Jahres erfolgen, die Fertigstellung ist im Jahr 2020 geplant. 2021 könnte im denkmalgeschützten Bonatzbau ein Nachfolgebetrieb für das durch den Abriss des Bahnhofs-Nordflügels gestutzte Inter-City-Hotel eröffnen. Das künftige 153-Betten-Haus, das sich über drei Etagen oberhalb der Arkaden erstrecken wird, wird von der Me and All Hotels GmbH betrieben. Luftlinie nur wenige hundert Meter entfernt wartet schon das nächste Projekt auf seine Realisierung: Reiß & Co. plant auf dem Grundstück der ehemaligen EnBW-Konzernzentrale zwischen Kriegsberg- und Jägerstraße einen Hotelneubau mit rund 400 Zimmern. Dafür wird der nicht unter Denkmalschutz stehende Teil des Gebäudes abgerissen.

Und nicht zuletzt entsteht unter der Regie des Stuttgarter Immobilienmaklers Michael Bräutigam hinter dem Stuttgarter Rathaus ein Designhotel: Das frühere Europa-Haus in der Nadlerstraße ist bereits entkernt. Es weicht einer Oberklasse-Herberge mit 90 Betten, die Mitte 2018 eröffnen soll. Solche kleinen, individuellen Projekte sind derzeit eher untypisch für den Markt: Vor allem die Kettenhotellerie im Drei- und Vier-Sterne-Segment ist Wachstumstreiber. „Der Trend zu größeren Hotels mit höherem Bettenangebot ist auffällig“, stellt Hofherr fest. Die Folge: „Der Konzentrationsprozess wird weitergehen. Kleinere Hotels werden auf der Strecke bleiben“, prophezeit der Experte.

Stuttgarts Tourismuschef Armin Dellnitz begrüßt die millionenschwere Investitionsoffensive der Branche. Der Bedarf an Übernachtungsmöglichkeiten sei da - und werde anhalten, ist er vom touristischen Potenzial der Landeshauptstadt überzeugt. Der Statistik zufolge stieg die Zahl der Übernachtungen in Stuttgart seit 2009 um 47,7 Prozent, die der Gästeankünfte um 43,4 Prozent. Dellnitz geht von einem weiteren Wachstum aus: Bei stabiler Wirtschaftslage könnten es 4,9 Millionen Übernachtungen im Jahr 2030 sein - also 1,2 Millionen mehr als zuletzt.

Den Optimismus des Geschäftsführers von Stuttgart-Marketing teilt Dehoga-Mann Hofherr nicht ganz. Auch der Verband rechne zwar in den kommenden Jahren mit einem Zuwachs an Übernachtungen, „allerdings nicht in der benötigten Größenordnung“. Die durchschnittliche Bettenauslastung liegt laut dem Branchenexperten Colliers bei 51,5 Prozent, die durchschnittliche Zimmerauslastung bei 73,3 Prozent. Das sei für Stuttgart sehr hoch, räumt Hofherr ein. Angesichts der Neubauoffensive geht er jedoch von einem Belegungsrückgang aus - mit der Folge, dass auch die zuletzt steigenden Zimmerpreise von durchschnittlich 99 Euro (laut Colliers) sinken werden. Einig sind sich Hofherr und Dellnitz darin, dass die touristische Nachfrage weiter angekurbelt werden muss. Zum Beispiel durch ein neues Veranstaltungs- und Kongresszentrum in der Innenstadt, über das schon seit längerer Zeit diskutiert wird.