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Dutzende Studenten brechen eine Klausur ab, verlassen die Uni wegen vermeintlicher Erkrankung und legen später ein Attest vor - von demselben Arzt. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt?

Stuttgart (lsw) - Nach dem massenhaften Prüfungsabbruch bei einer Klausur an der Universität Hohenheim erhalten die verbliebenen Studenten eine zweite Chance. Weil der Abgang von mehr als zehn Prozent der Absolventen aus der laufenden Grundlagenprüfung Finanzwissenschaften viel Lärm verursacht habe, könnten rund 200 Studenten jetzt wählen, ob sie diese im Herbst wiederholen wollten, sagte der Sprecher der Universität, Florian Klebs, am Montag in Stuttgart. Das habe der Prüfungsausschuss beschlossen. Klebs vermutet hinter dem Abbruch der Studenten im zweiten und dritten Semester Prüfungsangst und nannte den Vorgang ein «völliges Novum».

Die Universität habe die sogenannten Rücktritte von der Prüfung genau untersucht und tue das noch. In 33 Fällen sieht die Hochschule trotz Einlassung der Studenten keinen Grund für das Verlassen der Klausur. Vier Fälle werden noch geprüft. Gegen die Entscheidung ist Uni-Sprecher Klebs zufolge Widerspruch möglich.

Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) stellte sich hinter die Maßnahmen der Universität gegen die Abbrecher. Die Hochschule könne nicht zulassen, dass ein mögliches drohendes Scheitern in der Prüfung auf diese Weise umgangen werde. «Spielregeln sind einzuhalten.» Darüber hinaus müssten sowohl die Studenten selbst als auch die Hochschulen dafür sorgen, dass das Studium mit realistischen Erwartungen und Selbsteinschätzungen begonnen werde.

Die Ministerin verwies auf Orientierungs- und Aufbaukurse in der Studienanfangsphase, etwa den Brückenkurs Mathematik an mehreren Unis oder auch Tutoren- und Mentorenprogramme. Für Prüfungsangst gebe es Anlaufstellen. Bauer: «Studierende müssen ihre Schwierigkeiten nicht allein regeln und keine Scheu haben, die psychologischen Beratungsdiensten an den Hochschulen aufzusuchen.»

Nach Auskunft der Psychosozialen Beratung für Studierende (PBS) des Studierendenwerks Heidelberg steigen die Beratungszahlen unter anderem wegen Prüfungsängsten jährlich. «Die Sensibilität gegenüber diesem Thema hat unter den Studierenden zugenommen, sie suchen sich früher Hilfe und psychische Belastungen können offener thematisiert werden als noch vor 20 Jahren», hieß es.

Im Mai hatten 37 von rund 250 Studenten die Prüfung abgebrochen und am selben Tag ein Attest eines einzigen Arztes mit zwei sehr vagen Diagnosen - Kopfschmerzen in Kombination mit Sehstörungen und Übelkeit und Erbrechen - vorgelegt. Elf weitere Studenten legten einen oder mehrere Tage später Krankmeldungen vor. Diese akzeptierte die Uni nicht und wertete die Klausur als nicht bestanden, wie Uni-Sprecher Klebs sagte.

Die Uni sieht weitere 103 vom selben Arzt im Vorfeld von Klausuren der Fakultät Wirtschafts- und Sozialwissenschaften ausgestellte Atteste kritisch. Die betroffenen Studenten wurden Klebs zufolge schriftlich aufgefordert, dazu Stellung zu beziehen. Darunter sind auch 49 bereits anerkannte Prüfungsrücktritte.

Beschwerden über eine zu schwierige Klausur hatte der Prüfungsausschuss zurückgewiesen. Das Niveau bewege sich auf dem vergleichbarer Prüfungen.

Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft Stuttgart ergibt sich aus den Vorgängen kein strafrechtlich relevanter Tatbestand. Weder bei dem Arzt noch bei den Studenten sei eine finanzielle Schädigung oder ein finanzieller Vorteil wahrscheinlich, sagte ein Sprecher